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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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vergessen.
    Vor ihren Füßen saß ein tsardonischer Krieger, der eine Schnittwunde im linken Bein versorgte. Mit bebenden Schultern und offenen Mundes blickte er den Abhang hinauf und konnte es nicht fassen. Dann drehte er sich um, als er Keils Blick bemerkte. Zuerst sah er sie ängstlich an, doch sie schüttelte nur den Kopf.
    Sie gab ihm die Hand.
    Der Tsardonier schlug ein und richtete sich auf.
    »Komm«, sagte sie. »Vielleicht müssen wir später noch kämpfen, aber niemand verdient es, so zu sterben. Wir wollen hier verschwinden.«
    Er legte einen Arm über ihre Schulter, sie fasste ihn an der Hüfte, und so liefen sie langsam die Straße entlang und wussten nicht, was sie hinter der nächsten Biegung erwarten mochte.

 
31

    859. Zyklus Gottes,
    36. Tag des Genasauf
     
    O ssacer fand auf dem Hügel keine Antworten. Nur die Anhänger des Aufstiegs im Orden konnten mit ihm über die Schriften diskutieren, aber die waren der Advokatin treu ergeben. Er brauchte keine kriecherischen Deutungen. Er war auf echtes Verständnis aus.
    Mehrere Tage lang hatte er mit seinem Gewissen gerungen und erfolgreich so getan, als sei er krank, um Arducius und den neu erwachten Aufgestiegenen aus dem Weg zu gehen. Dabei wollte er, wann immer er allein war, am liebsten sofort wieder hineinlaufen und sie anschreien, sie sollten mit ihren Dummheiten aufhören, sie sollten doch endlich erkennen, was sie direkt vor Augen hatten, und sich weigern, einfältig zu katzbuckeln und Kratzfüße zu machen.
    In der kurzen Zeit, die er mit Arducius verbracht hatte, war Ossacer allerdings sehr schnell deutlich geworden, dass er selbst der Einzige war, der noch etwas Verstand besaß. Die Kriegsmaschinerie arbeitete mit voller Kraft, und dies bekam nicht nur der Aufstieg zu spüren. Man hatte ihn gebeten, die Bestandteile des Sprengstoffs zu bestimmen, den die Sirraner Marcus Gesteris gegeben hatten. Dummerweise hatte er Cygalius mitgenommen, der es binnen weniger Augenblicke herausgefunden hatte. Jetzt stellten die Wissenschaftler der Advokatin neuen Sprengstoff her, während Arducius und Hesther in den Klassenräumen Feuer und Eis lehrten.
    Es war niemand da, der das Nachdenken lehrte. Mirron war mit Jhered wer weiß wo unterwegs, und Vasselis, der vielleicht das eine oder andere hätte dazu sagen können, wie schrecklich es wäre, ohne angemessene diplomatische Bemühungen einen weiteren großen Krieg zu beginnen, war mit der Advokatin unterwegs.
    Bisher waren es nur Gerüchte. Angeblich rückten die Tsardonier gegen Gosland und Atreska vor, und angeblich hatte Gorian etwas Unaussprechliches getan. Letzteres wollte Ossacer gern glauben, aber das war doch etwas anderes als ein Krieg, in dem die Aufgestiegenen als Waffen eingesetzt werden sollten. Als Abteilung des Militärs. Das war falsch. Es war grundfalsch. Es kam nur darauf an, Gorian zu töten.
    Schließlich gelangte Ossacer zu der Ansicht, dass er keine andere Wahl hatte, und sein Herz war nicht einmal schwer, als er durch das Siegestor schritt und zum einzigen Ort lief, an dem man ihn anhören und ihm eine neue Sichtweise anbieten würde. Natürlich wusste er, wie gefährlich es war. Sogar dumm. Aber es gab Zeiten, in denen der Dienst für den Allwissenden wichtiger war als Befürchtungen um die eigene Sicherheit.
    Er fühlte sich wie ein trotziges Kind, als er, die Kapuze seines Mantels weit ins Gesicht gezogen, an einem windigen, aber sonnigen Morgen durch die warmen Straßen von Estorr lief. Oft schob er sich an Leuten vorbei, die keine Ahnung hatten, wer er war. Und er verfolgte eine Absicht, von der ihn alle, die er seine Freunde nannte, sicher gern abgebracht hätten. Der Genasauf duftete wundervoll. Die ersten Blumen blühten bereits, und die Menschen waren guter Dinge. Auch vom Meer her wehte eine angenehme Brise herüber. Wahrscheinlich schimmerten alle Dächer und die gekalkten Wände in der Sonne, aber dieser Anblick blieb ihm leider verwehrt.
    Mithilfe der Energien in der Luft und auf den Pflasterstraßen bewegte Ossacer sich durch die Stadt. Wenn ihm Leute im Weg standen, wich er ihnen aus und ließ sich von ihren Lebenslinien zeigen, was vor ihm lag. Niemand hätte vermutet, dass er ein blinder Aufgestiegener war. Er war einer der berühmtesten Menschen der Konkordanz, aber niemand bemerkte ihn. Das empfand er als angenehm und erleichternd.
    In der Stadt herrschte Unruhe. Dreimal hatte es sogar vor den Toren des Hügels Demonstrationen gegeben. Die Kanzlerin hatte immer

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