Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
Vom Netzwerk:
hielten dich für tot. Sie wünschten, du wärst es.«
    »Jetzt wissen sie, dass es nicht stimmt.«
    Unvermittelt schossen Kessian die Tränen in die Augen. »Ich will nicht hier sein. Ich will nach Hause.«
    Gorian streckte eine Hand aus, Kessian wich zurück und klammerte sich nur noch fester an die Reling.
    »Du bist bei mir«, sagte Gorian. »Du bist zu Hause.«
    »Nein! Ich will nach Hause. Ich will zu meiner Mutter.«
    »Aber sie wollte doch mitkommen. Hat sie dir das nicht gesagt?«
    »Lügner. Sie hasst dich.« Kessians Ruf ließ einige Matrosen die Köpfe herumdrehen. »Du bist böse. Du bist, was wir nicht sein dürfen.«
    Gorian hatte das Gefühl, eine Ohrfeige bekommen zu haben. »Wer hat dir das erzählt?«
    »Alle wissen es«, erwiderte Kessian. »Mutter Naravny lehrt es uns, und alle sagen es.«
    »Was sagen sie?« Gorian war nicht sicher, ob er es überhaupt hören wollte.
    »Sie sagen, dass du den Menschen mit deinen Fähigkeiten wehgetan hast, und dass du das nicht hättest machen dürfen. Du bist vor deiner Strafe weggelaufen, und du bist der Einzige, der uns alles verdirbt.« Kessian runzelte empört die Stirn.
    »Haben sie dir nicht erzählt, wie ich geholfen habe, die Konkordanz zu retten? Wie ich geholfen habe, dass alle Aufgestiegenen aus Westfallen fliehen konnten, als der Orden uns töten wollte?«
    Kessian schüttelte den Kopf. »Sie sagen, wir müssen uns beherrschen, damit wir nicht werden wie du. Bring mich jetzt nach Hause. Bitte.«
    Gorian lehnte sich an die Reling und schüttelte den Kopf. Dass sie ihm das antaten, nachdem er ihnen so viel bedeutet hatte.
    »Ich will nach Hause!«
    Kessian schrie jetzt fast. Gorian starrte ihn böse an.
    »Beruhige dich, Kessian. Du weißt, dass du nicht nach Hause kannst. Du bist jetzt bei mir. Vater und Sohn erleben ein Abenteuer.«
    Kessian erstarrte, sein Gesicht rötete sich in einem Zorn, den Gorian nur zu gut kannte. »Du bist nicht mein Vater«, kreischte der Junge, und seine Stimme war auf dem ganzen Schiff und weit übers Wasser zu hören. »Du bist überhaupt nichts. Ich will nicht auf diesem Schiff sein, ich weiß nicht, was ich hier soll. Bring mich nach Hause. Bring mich nach Hause.«
    Gorians Blick ließ den Jungen zurückweichen. Er hatte sich vorgestellt, dass Kessian in seine Arme fliegen würde, weil er die Nähe des Mannes suchte, der ihm das Leben geschenkt hatte. Jetzt aber diese … kreischenden Vorwürfe. Er packte Kessians linken Arm über dem Ellenbogen und zog den Jungen an sich.
    »Du musst erfahren, was deine wahre Bestimmung ist. Komm mit.«
    »Ich will aber nicht …«
    Gorian ließ es geschehen. Er schickte die Kälte durch seine Hand und ließ sie durch die Lücke, die er in der Energiestruktur des Jungen aufgerissen hatte, in Kessians Arm fließen. Kessian stieß einen erschrockenen Ruf aus und wollte sich befreien. Seine Energien waren stark, aber er hatte nicht Gorians Körperkraft.
    »Du hast mich genug geärgert.«
    Er zerrte den Jungen zur vorderen Luke und stieß ihn die steile Treppe hinunter. Kessian stürzte, sah hoch und wollte ausweichen. Gorian sprang hinterher, packte ihn und riss ihn wieder hoch, um ihn in ihr Quartier zu befördern. Hinter einem groben Vorhang waren zwei Kojen in eine winzige Nische gequetscht. Gorians wenige Habseligkeiten lagen auf dem Bett verstreut. Er warf Kessian auf die zweite Koje.
    »Tut das weh?«, fragte er und deutete auf den Oberarm des Jungen, den er immer noch festhielt.
    Mit Tränen in den Augen nickte Kessian. Der Zorn war verschwunden, jetzt gewann die Angst die Oberhand.
    »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte Gorian leise und nicht ohne Schuldgefühle. »Ich musste dafür sorgen, dass dein Geschrei aufhört.« Er setzte sich neben ihm auf das Bett. »Du musst verstehen, dass ich mich nicht vor der Mannschaft auf diese Weise anbrüllen lassen kann. Das werde ich nicht hinnehmen. Du musst mich respektieren, wie sie es müssen, verstehst du?«
    »Ich weiß nicht, was ich hier soll«, heulte Kessian. »Ich will nach Hause.«
    Gorian nagte an der Unterlippe und atmete langsam durch, um sich zu beruhigen. Die Gedanken rasten in seinem Kopf. Vor allem fühlte er sich unendlich enttäuscht. Der Junge war überhaupt nicht so, wie er es erwartet hatte. Schwach. Eher wie Ossacer, nicht wie er selbst. Er rieb sich die Augenwinkel mit den Fingerspitzen und räusperte sich.
    »Hör mal, Kessian, ich weiß, wie schwer das für dich ist, aber dein Leben hat sich jetzt geändert.«

Weitere Kostenlose Bücher