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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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der üble Verwesungsgestank in die Nase. Sie schauderte, stieg ab und warf die Zügel über den Kopf des Pferdes.
    »Na gut, Junge, dann sehen wir uns im Stall.«
    Er wusste, wohin er gehen musste, und trabte, von der Reiterin befreit, durchs Tor nach draußen zur Botenstation. Nun fühlte Corvanov sich mutterseelenallein. Sie war wie alle Boten der Konkordanz mit Gladius und Schild gerüstet, aber schon die Tatsache, dass sie in ihrer Heimatstadt überhaupt daran denken musste, bereitete ihr Unbehagen.
    Sie lief die Hafenstraße hinunter bis zum Forum. Offensichtlich war es seit Tagen verwaist. Waren denn wirklich alle tot? Im Hafen hatte sie Segel ausgemacht, also mussten auch Menschen da sein. Trotzdem fühlte sich die Stadt verlassen an.
    Corvanov blieb mitten auf dem Forum stehen und drehte sich einmal um sich selbst. Am liebsten hätte sie laut gerufen, um Bewohner als Beweis dafür aufzutreiben, dass sie nicht allein war. Es musste doch irgendwo Überlebende geben. Wenn die Seuche alle getötet hätte, dann hätten überall verwesende Leichen herumliegen müssen. Corvanov schauderte. Nichts. Nicht einmal ein Hund oder eine Katze. Kein einziger Vogel flog vorbei oder hockte auf einem Dach.
    Sie zog den Gladius, fühlte sich damit aber auch nicht besser. Der Gestank des Todes war hier nicht ganz so stark, obschon immer noch deutlich zu bemerken. Als aus der tiefen Stille endlich ein Ruf zu ihr drang, war sie erleichtert und stellte fest, dass sie stark schwitzte. Der Ruf war von der Mole gekommen. Sie steckte die Klinge in die Scheide und eilte weiter.
    Vom Forum aus ging es wieder bergab, sie schritt durch viele verlassene Straßen, in denen sich nichts regte. Als sie einer sanften Kurve nach rechts folgte, sah sie endlich den Hafen vor sich liegen. Zahlreiche Schiffe hatten festgemacht, auf den Masten flatterten Banner, vor der Küste segelten weitere Schiffe. Auf der Mole drängten sich Menschen. Wie es schien, war keine Handbreit mehr frei.
    Corvanov rannte ein paar Schritte, ehe ihr bewusst wurde, wie eigenartig dies aussah. Auf der Mole waren sogar zu viele Menschen. Die Gallseuche hätte mindestens dreiviertel von Wystrials achttausend Einwohnern dahinraffen müssen. Vor ihr hatten sich jedoch gut und gern sechstausend Leute versammelt.
    Die meisten rührten sich nicht. Sie standen nur da, als warteten sie auf Anweisungen oder darauf, dass etwas geschah. Wie Statuen. Aber nicht alle. Vor jedem der sieben Schiffe, die festgemacht hatten, brüllten ein paar Männer Befehle, die in der Stille auf der Mole nur noch lauter klangen. Corvanov blinzelte verblüfft. In der Tat, kein Mensch gab ein Geräusch von sich. Sie sehnte sich nach dem Bellen eines Hundes. Irgendetwas, das ihr sagen konnte, dass alles in Ordnung sei.
    Auf einmal veränderte sich der Tonfall der Rufe. Drei Leute drängten sich durch die still stehende Menge und trotteten den Abhang zu ihr herauf. Kein Einziger der anderen drehte auch nur den Kopf, um in ihre Richtung zu spähen. Corvanov wusste nicht, was sie davon halten sollte. Irgendwie klammerte sie sich noch an die schwache Möglichkeit, dass es eine vernünftige Erklärung für all dies gab. Vielleicht kamen die Leute ihr nur entgegen, um sie vor der Seuche zu warnen.
    Aber das traf nicht zu. Was sie sah … Gott umfange sie, was war das nur? Bizarr und erschreckend. Sie kämpfte den Drang nieder, auf der Stelle umzukehren und vor dem Volk von Wystrial zu fliehen. Doch ihr Wunsch herauszufinden, was hier vor sich ging, war stärker als ihre Gänsehaut und die panischen Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen. Die Stadt war nicht besetzt, sie konnte keinen Feind entdecken. Es gab keinen Grund zu fliehen.
    Also warum war der Drang fast überwältigend?
    Corvanov nahm ihren ganzen Mut zusammen und blieb stehen, während sich die drei Männer näherten. Sie hatten es nicht besonders eilig und liefen jetzt gleichmäßig den Abhang vom Hafen herauf. Keiner hatte eine Waffe gezogen. Als sie den Mann in der Mitte erkannte, entspannte sie sich ein wenig, und als er noch zwanzig Schritte entfernt war, begrüßte sie ihn.
    »Die Seuche muss gnädig gewesen sein, da so viele überlebt haben, Meister Lianov«, sagte sie.
    Er antwortete nicht und gab nicht einmal zu erkennen, dass er es überhaupt gehört hatte. Aber wie hätte er es überhören können?
    »Was tun all die Leute dort unten? Sind das Schiffe mit Vorräten? Ich bringe eine Botschaft von Marschallin Mardov. Sie schickt Hilfe und

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