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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Jhered, der schon am Ausgang war.
    »Wer bist du? Mein Vater?«
    »Nein, ich bin nur der Mann, der dich ins Hafenbecken wirft, wenn wir die Flut versäumen. Komm schon.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, schloss die Tür und ließ ihre Brüder, den Springbrunnen und Kessians Segelboot zurück. Sie war dem Weinen nahe.
    »Geh nicht unter«, flüsterte sie.
     
    Auf der Rückreise über Flüsse und Straßen nach Wystrial gab es kaum Anzeichen von Panik oder Angst. Die Nachricht über den Ausbruch der Seuche hatte sich schon den halben Weg bis nach Skiona ausgebreitet, aber wer weit von der Hafenstadt entfernt lebte, war zufrieden damit zu bleiben, wo er war, und den Berichten nach erwies sich die Quarantäne als wirkungsvoll.
    Auf den letzten dreißig Meilen fühlte sich die Erste Botin Corvanov jedoch zunehmend unbehaglich. Sie sah offenbar eilig verlassene Gehöfte, in denen es weder Vieh noch menschliche Bewohner gab. Der Verkehr, auch sonst nicht gerade stark zu nennen, war gänzlich zum Erliegen gekommen, und die letzte Botenstation hatte ihr Gerüchte und Geschichten übermittelt, die sie nicht einzuordnen wusste.
    Die Boten hatten Corvanov gewarnt, sich dem Hafen nicht weiter zu nähern. Der Posten direkt hinter den Toren sei verlassen, die Boten seien verschwunden. Doch sie konnte die Befehle der Marschallin nicht missachten. Sie hatte einige Leute gebeten, sie zu begleiten, aber die Betreffenden hatten sich geweigert, und die Furcht, die aus ihren Mienen und Stimmen gesprochen hatte, war verwirrend und beunruhigend gewesen.
    Die Seuche war ein seltsamer Dämon, überlegte sie auf der letzten Meile vor der Botenstation. Die Tore des Hafens selbst lagen ein paar Hundert Schritte dahinter. Die Gespenster einer unheilbaren Krankheit waren mächtig und schwer zu bekämpfen. So entstanden Gerüchte und Mythen, die sich schneller ausbreiteten als jedes Virus. Aber die medizinischen Tatsachen waren nach Corvanovs Ansicht die beste Waffe, und die sagten ihr, dass jeder, der sich heute noch in der Hafenstadt bewegte, die Krankheit nicht mehr in sich tragen konnte.
    Es war entweder ein Überlebender oder jemand, der gerade erst in die Stadt gekommen war, aber sicherlich niemand, der krank war und die Krankheit verbreitete.
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf, als sie eine Anhöhe erreichte und Wystrial überblicken konnte. Die Stadttore standen offen, Flaggen wehten über dem Hafen. In der Ferne bewegten sich Segel, Schiffe verließen den Hafen oder liefen ein. Es war ruhig, aber das überraschte sie nicht. Der Wind wehte seewärts, und so konnten die Geräusche ihre Ohren nicht erreichen. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass der Ring der Soldaten, die die Quarantäne überwacht hatten, verschwunden war. Offenbar befanden sie sich in der Stadt und halfen, wo sie konnten.
    Corvanov lenkte ihr Pferd an der verlassenen Station vorbei, hinter der es leicht bergab zum Hafen ging. Der Nachmittag war zur Hälfte vorbei, und allmählich schwand die Wärme eines schönen Tages zu Anfang des Genas. Etwas beklommen fragte sie sich, was sie wohl in der Stadt erwarten mochte. Wenn die Seuche die ganze Einwohnerschaft erfasst hatte, dann musste sie damit rechnen, auf Verfall, Verzweiflung und unermessliches Leid zu stoßen. Wenigstens brachte sie neue Hoffnung mit. Soldaten kamen, Hilfe war unterwegs.
    Kurz vor den Toren ließ sie ihr Pferd langsamer laufen. Dort standen keine Wächter, niemand hieß sie willkommen. Sie atmete tief durch und ritt weiter. Direkt hinter dem Tor tänzelte der Hengst nervös, schnaubte und blieb stehen. Das Tier bebte am ganzen Körper, blähte die Nüstern und riss die Augen weit auf. Dann wich es zurück.
    »Sch-scht. Es ist gut. Komm schon, junger Bursche, ich werde schon auf dich aufpassen.«
    Sie trat ihm die Hacken in die Flanken, aber er rührte sich nicht und stieß nur ein nervöses Wiehern aus. Dann wich er noch weiter zurück und verlor die Kontrolle über die Blase und den Darm. Corvanov streichelte seinen Hals und sah sich um.
    »Schon gut, schon gut, immer mit der Ruhe. Braver Junge.«
    Gleich hinter dem Stadttor war Wystrial eng bebaut. Nach links, nach rechts und geradeaus führten Straßen in die Stadt hinein, dicht an dicht standen die Häuser. Viele Türen und Fensterläden waren weit geöffnet, die Straßen waren staubig und offenbar seit Tagen nicht mehr gekehrt worden. Außerdem war es still. Weit und breit entdeckte sie keine Menschenseele. Sobald sie drinnen war, stieg ihr auch

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