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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Gewerkschaftsarbeit aktiv war, und sie stellte zu unserem Erstaunen fest, dass ich vermutlich Zwillinge erwartete.
    »Doch, ich bin mir ziemlich sicher«, meinte sie. »Willst du nicht doch lieber hier in Berlin entbinden? Eine Zwillingsgeburt ist für eine Erstgebärende keine so einfache Sache!«
    Ich zögerte einen Moment, aber im Grunde war ichbisher mit der Schwangerschaft so gut zurechtgekommen, dass ich vermutlich keine Bedenken haben musste, das nicht auch noch zu bewältigen. Es waren schließlich nur dumme Träume und irrationale Ängste, wie sie wohl jede Schwangere kurz vor der Niederkunft befielen.
    »Ich bin mit einem Arzt verheiratet«, sagte ich daher tapfer. »Er wird mich bestens betreuen können. Gibt es denn irgendeinen konkreten Grund zur Besorgnis?«
    Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, Amanda, du hast ja eine Rossnatur und strotzt vor Vitalität. Es wäre eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
    Also dankte ich ihr für den Ratschlag, blieb aber bei meinem Plan, auf Blankensee zu entbinden. Eine Vorsorge traf ich aber dennoch, ich ging mit Friedrich noch einmal nachts auf Nahrungssuche. Für die Geburt musste ich mich so stark wie möglich machen, wofür er vollstes Verständnis hatte. Wir erwischten einen sehr gut im Saft stehenden nationalistischen Abgeordneten, der in letzter Zeit durch Hetzreden gegen den Gewerkschaftsbund aufgefallen war und mit einem Gesinnungsbruder nach dem Besuch in einem Revuepalast ein bisschen reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte. Wir teilten uns die Mahlzeit und stellten dann fest, dass der Blutalkohol uns in einen kleinen Rausch versetzte. Erst waren wir ziemlich albern, aber als wir dann durch die kalte Nacht, die nach Schnee roch, zurück in die Brüderstraße gingen, wurde ich zunehmend schwermütig und erzählte Friedrich schließlich von Conrads schrecklicher Verwandlung in unserer Hochzeitsnacht.
    Er nahm das zunächst schweigend auf, und ich wollte schon ungeduldig nachfragen, als er sagte: »Und seitdem ist nichts Außergewöhnliches mehr mit Conrad geschehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, er ist so normal, wie jemand nur sein kann, und ich denke manchmal, dass ich mir das Ganze nur eingebildet habe. Dass es vielleicht die Nachwirkungen des traumatischen Erlebnisses in den Karpaten waren, die zusammen mit dem Alkohol und der Erregung über Großvaters Tod eine hysterische Halluzination bei mir ausgelöst haben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass in Conrad eine Bestie schlummern sollte, so sanft und liebevoll, wie er mit mir umgeht.«
    Friedrich lächelte. »Ich verstehe ja nicht allzu viel von Freud und der Psychoanalyse, aber kann es nicht sein, dass eine junge Frau in der Hochzeitsnacht schon mal den Eindruck haben könnte, ihr Gatte sei ein wildes Tier? Äh … ich meine, ich will Conrad da nicht zu nahe treten, aber er schien mir vor eurer Abreise nach Blankensee erotisch höchst erregt zu sein … so wie er dich den ganzen Abend angeschaut hat, erwartete ich, dass er noch auf der Fahrt im Auto über dich herfallen würde …«
    »Friedrich! Du bist unernst!«, tadelte ich ihn. »Ich will einen Rat von dir und du machst Witze. Die Sache, wenn sie denn wirklich stattgefunden hat, macht mir große Sorgen.«
    Friedrich rülpste und lachte nun.
    »Wenn sie denn stattgefunden hat! Du sagst es selber und hast recht, daran zu zweifeln.« Ich war mir nicht sicher, dass er im Moment in der Lage war, den Ernst der Sache richtig einzuschätzen.
    »Du bist ja betrunken, Friedrich!«, sagte ich und klang wohl ziemlich verzweifelt, denn er legte den Arm um mich, und als er merkte, dass ich zitterte, meinte er sanft:
    »Amanda, es ist gut, dass du mit mir über deine Ängste gesprochen hast. Wir fahren morgen nach Blankenseeund ich verspreche dir, dass ich Conrad im Auge behalten werde. Sollte mir irgendeine Veränderung an ihm auffallen, spreche ich mit ihm darüber und wir werden sehen, was zu tun ist.«
    So war ich, als wir die Brüderstraße erreichten, erleichtert und zuversichtlich und fühlte mich stark genug für die Herausforderungen der Geburt, von der ich mich nun durch nichts mehr ablenken lassen wollte.
    Es heißt vermutlich nicht ohne Grund, dass Schwangere wegen ihres Zustandes ungewöhnlich optimistisch sind.
     
    Am 11. Dezember machten wir uns also nach Blankensee auf. Ein leichtes Schneetreiben hatte eingesetzt und Conrad musste sehr vorsichtig fahren. Aber da der Himmel durch die Schneewolken dunkel verhangen war, konnten wir

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