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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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weiteren innenpolitischen Terrors stiegen unübersehbar im Mai 1933 in schwarzen Rauchschwaden zum Himmel auf, als in Berlin und anderen deutschen Großstädten riesige Scheiterhaufen aus Büchern mit »undeutschem Schrifttum« in Flammen aufgingen. Bert Brecht, Erich Kästner, Arthur Schnitzler, Alfred Döblin, Heinrich Mann, Klaus Mann, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky, Jakob Wassermann, Johannes R. Becher, Stefan Zweig, Joseph Roth, Sigmund Freud …
    Die Liste der Verfemten war endlos.
    Auf dem Schlossplatz hatten Studenten der Deutschen Studentenschaft, die fest in der Hand der Nazis war, ihren Scheiterhaufen errichtet. Fackelträger beleuchteten die gespenstische Szene. Die zentrale Aktion fand jedoch am Opernplatz statt, wo um Mitternacht der Giftzwerg Goebbels eine Ansprache halten sollte. Wir standen in einigem Abstand fassungslos vor diesem barbarischen, mit mythischen Feuersprüchen hochdramatisch inszenierten Schauspiel, bei dem unter dumpfen Trommelwirbeln die Namen aller Autoren laut verlesen wurden, bevor man ihre Werke dem Feuer übergab. Es war, als würden sie gleich selber in die Flammen geschleudert.
    In mir stiegen die schrecklichen Bilder der Feuerwalze auf der Burg Przytulek wieder auf, und ich fürchtete mich wie nie zuvor vor dem, was nun an ungezügelter Gewalttätigkeit und unkontrolliertem Hass auf uns zukommen würde. Wie konnte ich meine Kinder nur davor beschützen?
    Friedrich weinte, denn vor seinen Augen fraßen die Flammen die Bücher vieler seiner Schriftstellerfreunde. Wenigstens waren die meisten von ihnen schon fort, nach Prag, Paris oder Zürich geflohen. Ihr Leben wäre ab heute nichts mehr wert gewesen.
    Und dann sah ich Hansmann. Er war nicht allein. An seiner Seite stand Wilhelm mit Alfred und … Lysander. Jeder der Jungen hatte ein Buch in der Hand und wollte es gerade auf den Scheiterhaufen werfen. Mein Verstand setzte aus, als ich sah, dass es die Galgenlieder von Christian Morgenstern waren, die Lysander verbrennen wollte. Wie kam er dazu, die aus der Bibliothek zu klauen? Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, stürzte auf den Jungen zu und zerrte ihn vom Feuer weg, ehe er das Buch hineinwerfen konnte.
    »Was machst du da?«, schrie ich gegen die Trommler an. »Das Buch gehört deiner Oma, wer hat dir erlaubt, es aus der Bibliothek zu entfernen?«
    Der Kleine war blass geworden und im Fackelschein sah ich, wie ihm Tränen in die Augen schossen.
    »Onkel Hansmann hat mir eine Liste gegeben …«, stammelte er, »… er hat gesagt, ich soll nachsehen, was davon bei uns in der Bibliothek steht … und es mitbringen … es ist undeutsch …«
    »Aha«, schnaubte ich, »und darum ist es schlecht und darf einfach geklaut und verbrannt werden? Du bist ein Dieb und ein Spitzel! Du spionierst deine eigene Mutter aus und bestiehlst sie – lernt man das bei deinen Pimpfen?«
    Klara zog mich am Arm zurück ins Dunkel. »Hör auf, Amanda, du machst sie auf uns aufmerksam. Das können wir nicht gebrauchen.«
    »Aber er ist ein Verräter! Er lässt sich von Hansmann gegen die eigene Familie aufhetzen!«
    »Ja, du hast ja recht, aber das können wir hier nicht klären. Reiß dich zusammen, Amanda.«
    Lysander reagierte verstockt. »Ich will zu Alfred«, forderte er. »Dann werfe ich eben seine Bücher ins Feuer!«
    »Du wirfst gar nichts mehr ins Feuer«, kam Conrad mir nun endlich zu Hilfe. »Du kommst jetzt mit nach Hause.«
    Er griff nach Lysander, aber der riss sich los und rannte zu Hansmann, Wilhelm und Alfred hinüber. Mein Onkel hatte uns offenbar schon die ganze Zeit beobachtet, denn nun nahm er Lysander an der Hand und gab ihm ein Buch, das der ins Feuer warf. Dann trat er mit ihm zurück in den Kreis. Er winkte zu uns herüber.
    »Ich bringe ihn um«, überwältigten nun auch mich Mordgedanken, und ich fragte mich ernsthaft, warum mir diese Idee nicht schon längst gekommen war. »Er hat mir mein Vermögen geklaut und nun entfremdet er mir auch noch mein Kind!«
    »Das klären wir morgen«, sagte Conrad und versuchte beruhigend auf mich einzuwirken. »Klara hat recht, hier ist nicht der Ort dafür. Du bringst uns in Teufels Küche.«
    »Da sind wir doch schon längst«, schnaubte ich, drehte mich um und lief ins Dunkel davon. Sollte Conrad doch sehen, wie er Lysander von Hansmann loseisen konnte. Ich wollte zu Lysette, die wir in der Obhut von Claudia gelassen hatten, weil so ein Spektakel ihr nur Albträume verursacht hätte. Nicht nur ihr.
     
    Später, als ich neben Conrad

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