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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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selber drauf und frage dich nach deinem eigenen Triebleben. Vielleicht solltest du dir ein paar Sublimierungsmöglichkeiten überlegen.«
    Er starrte mich völlig perplex an, was mich außerordentlich amüsierte. Er war aber nicht nur verblüfft, sondern auch so voller Hochachtung für meine Auffassungsgabe, dass er meinen Vorschlag sogar ernst nahm und unter Verweis auf seinen Lehrer C. G. Jung beschloss, sich zu einer Selbstanalyse ein wenig zurückzuziehen. Ich lächelte mit innerer Zufriedenheit, denn das hatte ich ja wirklich gut eingefädelt. Rein instinktiv natürlich nur, aber es bewies einmal mehr, dass der Erfolg mit dem Tüchtigen ist. Conrad zog ab und ich ging mit gestärktem Selbstbewusstsein zurück an die Lektüre unserer Familienchronik. Das konnte ich auch gebrauchen, denn das Leben meiner Mutter schien mir ein einziges Schlachtfeld zu sein, auf dem nach und nach alle ihre Gefühle getötet wurden. So war es kein Wunder, dass sie auch mir gegenüber schließlich keine Liebe mehr empfinden konnte und mich von sich stieß, um …?
    Um was zu tun? Um sich selbst auch zu töten? Oder um nur noch der Rache zu leben und auch den Letzten der Przytuleks ins Jenseits zu befördern?
    Ich konnte die Frage nicht beantworten. Genauso wenig wie die Aufzeichnungen meiner Mutter es taten. Sie endeten zwar mit einem hoffnungsvollen Bekenntnis zu mir,dann aber brachen sie abrupt ab. Danach nichts mehr. Kein Wort, nicht die geringsten Andeutungen, die Rückschlüsse darauf zuließen, warum sie von einem Tag auf den anderen verschwunden war.
    Dafür bekam ich aber erschöpfende Informationen über den Vampirismus in der Familie Vanderborg. Ich las, wie meine Mutter durch ein Experiment meines Großvaters in den Karpaten tatsächlich zu einer Vampirin geworden war und wie sie versucht hatte, ihre vampirische Natur mit einem menschlichen Leben zu vereinen. Es schien ihr nur bedingt gelungen zu sein, denn immer wieder schrieb sie über Schuldgefühle und den Fluch, der auf ihr laste und der ihr Leben verdunkle. Ihre Melancholie rührte mich zu Tränen, als ich begriff, dass meine Mutter eine todunglückliche Frau war. Aber sosehr sie auch mein Mitleid weckte, so wenig konnte ich doch viele ihrer Handlungen verstehen, und ich fragte mich, ob ich in ihrer Lage nicht anders gehandelt hätte. Denn vieles, was sie ins Unglück gestürzt hatte, schien mir weniger mit dem Fluch des Vampirismus als mit menschlicher Moral zu tun zu haben. Warum hatte sie Karolus Utz geheiratet, wenn sie nicht ihn, sondern Amadeus geliebt hatte? Wie konnte sie Utz noch in der Hochzeitsnacht betrügen? Warum machte sie sich dieses Verbrechens des Ehebruchs schuldig? Nur um die Familie vor dem Ruin zu bewahren? Vielleicht sollte ich den Großvater einmal dazu befragen? Natürlich hätte ich am liebsten mit meiner Mutter selbst darüber gesprochen, aber sie war ja leider verschwunden und es gab keinen Anhaltspunkt in der Chronik, warum und wohin.
    Ich beschloss das Buch mit nach Berlin zu nehmen. Es war zu kostbar, um es hierzulassen. Dort würde ich es in aller Ruhe studieren, um vielleicht doch noch einen Hinweiszu entdecken, der mir half, die Suche nach ihr aufzunehmen.
     
    Conrad tauchte nach seiner Selbstanalyse sehr viel frischer wieder auf, und nachdem er einen kleinen Imbiss zubereitet hatte, den er natürlich praktisch alleine verspeiste, versuchten wir noch einmal die Tür mit Gewalt zu öffnen. Aber auch das war vergeblich.
    So machten wir, als der Abend nahte, in der Dämmerung einen ausgedehnten Spaziergang um den See und kehrten erst in der Dunkelheit wieder zum Gut zurück.
    »Ich bitte dich noch einmal, mir zu vergeben, Amanda. Es war unverzeihlich, dass ich dich mit meiner Zuneigung so überfallen habe. Du leidest noch unter der schweren Zeit in der Klinik und bist deswegen auch sicherlich in deiner Entwicklung etwas gehemmt. Ich habe dafür volles Verständnis und werde in Zukunft geduldig warten, bis du bereit für die Liebe bist.«
    Mir stieg ein wenig die Galle auf bei seinen Worten. Wollte er nicht eine Selbstanalyse machen? Was er sagte, klang keineswegs nach Einsicht, sondern nach Schuldzuweisung an mich. So war meine Reaktion auf seine Worte entsprechend unfreundlich.
    »Also liegt es an mir und meiner Unfähigkeit zur Liebe und nicht etwa an der ungezügelten Triebhaftigkeit, mit der du mich ohne Vorwarnung überfallen hast? Du hast nicht zufällig schamlos eine Situation ausnutzen wollen, in der ich mich dir als meinem

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