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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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hilfreich zum Verständnis meiner familiären Vorgeschichte sein. Was allerdings den Vampirismus darin anging, war der wohl kaum mit Freud zu erklären, und es lag nahe, dass Conrad darum versuchen würde, ihn als eine Wahnvorstellung meiner Mutter zu interpretieren. Was für mich dann vermutlich die Konsequenz hätte, dass auch mein Vampirismus von ihm als krankhaft eingestuft werden würde. Er würde nur zulassen, was in Freuds Theorie passte, und Vampire waren darin garantiert nicht vorgesehen.
    Und noch aus einem anderen Grund konnte ich ihn die Chronik der Vanderborgs nicht lesen lassen: Sie war wirklich dunkel und enthielt Dinge, die er niemals erfahren durfte. Denn durch den Vampirismus war meine Mutternicht nur eine unglückliche, vom Schicksal gebeutelte Frau, sie unterlag auch einem jahrhundertealten Fluch, durch den sie gezwungen war, das Grafengeschlecht der Przytuleks auszulöschen. Über Generationen verfolgte sie deren Nachkommen und musste ihr eigenes Leben erhalten, indem sie menschliches Leben auslöschte. Sie war, das ging aus der Chronik eindeutig hervor, eine vielfache Mörderin, die zwar stets im Zwiespalt stand zwischen ihrer menschlichen Moral und ihrer vampirischen Blutgier, aber dennoch vor dem Gesetz eine Verbrecherin war. Lenz würde das nicht ignorieren können. Viele ungeklärte Mordfälle in und um Berlin würden plötzlich aufgeklärt sein, aber eben nicht nur die aus der Vergangenheit, sondern auch die der letzten Zeit. Denn es brauchte nicht viel, um von meiner Mutter auf mich zu schließen. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, würde Hansmann vermutlich sagen, wenn es zu einer Untersuchung kam, und mich gnadenlos der Gerichtsbarkeit ausliefern.
    Nein, das Risiko war mir zu groß. Ich wollte Conrad mit diesem Gewissenskonflikt nicht belasten. Er würde sich niemals für mich entscheiden können, wenn er wusste, was ich getan hatte. All die hoffnungsvollen jungen Männer, die meiner Gier bisher zum Opfer gefallen waren, würden von ihm verlangen, dass er sich von mir abwandte und mich schuldig sprach, wie es alle rechtschaffenen Menschen tun würden.
    So beschloss ich ihm den Fund der Chronik ebenso wie Großvater Vanderborg zu verschweigen, und versuchte weiter, alleine mit meiner dunklen Herkunft und meinem offensichtlich in vieler Hinsicht gestörten Leben fertigzuwerden.
    Neben der Chronik beschäftigte mich aber auch nachwie vor die Frage, wo wohl der Schlüssel für die geheimnisvolle Tür sein könnte. Nachdem ich in den Aufzeichnungen meiner Mutter die Bestätigung dafür gefunden hatte, dass ein geheimes Gewölbe existierte, war ich mir sicher, dass der Zugang hinter dieser Tür verborgen lag. Es ärgerte mich maßlos, dass wir in der Sache keinen Schritt weitergekommen waren und unverrichteter Dinge aus Blankensee abreisen mussten.
    Was ich bis jetzt in der Chronik gelesen hatte, war sehr deprimierend, und so verfiel ich in eine melancholische Stimmung, die Conrad natürlich nicht verborgen blieb.
    »Du wirkst bedrückt, Amanda, worüber denkst du nach?«, fragte er, nachdem ich sehr lange ungewöhnlich wortkarg neben ihm im Auto gesessen hatte. Zwar wollte ich ihm nicht von der Chronik erzählen, aber von den Zweifeln meiner Mutter hinsichtlich meines Erzeugers sollte er vielleicht doch erfahren. So nutzte ich die lange Fahrt nach Berlin, um mit ihm darüber zu sprechen.
    »Ich habe ein Schriftstück gefunden«, begann ich vorsichtig, »in dem ich etwas mehr über meine Herkunft erfahren habe …«
    Conrad war sofort aufmerksam.
    »Es … es ist nicht ganz einfach für mich, darüber zu sprechen …«
    Conrad nahm den Fuß vom Gas und das Automobil wurde langsamer. Er sah mich von der Seite an.
    »Dann verschieben wir das Gespräch vielleicht besser auf die nächste Analysesitzung?«
    Ich schüttelte den Kopf, denn nun, wo ich mich einmal dazu durchgerungen hatte, musste es auch raus, ehe ich es mir wieder anders überlegte, und so setzte ich erneut an:
    »Meine Mutter hatte Zweifel … hinsichtlich der Vaterschaft… Sie war gar nicht mit Amadeus von Treuburg-Sassen verheiratet, sondern mit einem anderen Mann … dem Bankier Karolus Utz … er … er könnte ebenfalls mein Vater sein …«
    Dass er meiner Mutter Gewalt angetan hatte, verschwieg ich. Aber auch so war Conrad sichtlich erschüttert.
    »Du meinst, deine Mutter hatte mit dem Mann, den du bisher für deinen Vater gehalten hast, lediglich eine Affäre? Und verheiratet war sie in der Zeit mit einem anderen

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