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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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wenigen Wochen hierherkam, sodass ich Friedrichs Erschütterung darüber nachvollziehen konnte.
    »Ich war in einer sehr depressiven Stimmung und voller Zweifel, was meine Existenz anging. Meine vampirische Natur hatte mir das Überleben im Krieg zwar erleichtert, in der Gefangenschaft aber sehr erschwert. Immer wieder geriet ich in Gefahr, im Licht zu verderben, sodass ich, als der Frieden geschlossen war, die erste Gelegenheit ergriffund eines Nachts mit der Hilfe einer Französin in die Freiheit entfloh.«
    »Einer Französin?«, neckte ich ihn. »Jung und hübsch und sicherlich sehr verliebt in dich?!«
    Friedrichs Gesicht überzog eine tiefe Traurigkeit und er meinte ernst: »Ja, sehr … sehr verliebt … sie riskierte ihr Leben für mich, denn auf Kollaboration stand nach wie vor der Tod.«
    »Da kann auch ich ihr nur dankbar sein. Denn sie hat dich mir wiedergegeben. Warum bist du nicht zu ihr zurückgegangen, sondern hiergeblieben. Hier, wo niemand mehr war, der dich liebte?!«
    »Ich habe Kontakt zu meinem Vater aufgenommen und seine Liebe rührte mich. Er war jedoch völlig verwirrt, erklärte mir, dass Estelle verschwunden sei, und wo du abgeblieben seist, davon habe er keine Ahnung. Blankensee war geschlossen und Hansmann residierte als Statthalter von Utz in dessen Villa und Bankhaus. Mir verweigerte er jede Auskunft. So war für mich euer Schicksal völlig ungeklärt und ich konnte nur hoffen, dass ihr eines Tages nach Blankensee zurückkommen würdet.«
    »Also hast du dich hier schlafen gelegt, um auf uns zu warten?«
    Er nickte.
    »Hier ist die geheime Zufluchtsstätte des dunklen Zweigs der Vanderborgs. So hat Estelle es gewollt. Ich war mir darum sicher, dass sie, wo immer sie auch hingegangen war, irgendwann hierher zurückkehren würde. Nur der Tod könnte sie davon abhalten.«
    Einen Moment schwiegen wir beide betroffen, denn an die Möglichkeit, dass Estelle tot sein könnte, mochte in diesem Augenblick keiner von uns denken. Und um diedüstere Stimmung zu verscheuchen, sagte ich mit etwas gekünsteltem Frohsinn:
    »Nun, jetzt bin ja wenigstens ich schon mal da, und Mutter wird gewiss auch bald auftauchen.«
    Aber so sicher war ich mir dessen gar nicht mehr. Wenn sie dieses Gewölbe für sich und ihre Familie als Refugium erbaut hatte, dann war es vollkommen unverständlich, warum sie selbst es nicht seiner Bestimmung gemäß genutzt hatte. So fragte ich nun doch sehr beunruhigt: »Und du bist sicher, Onkel Friedrich, dass ihr nicht doch etwas zugestoßen ist?«
    Friedrich wirkte auf einmal schwach und apathisch und ohne jeden Lebensmut. Schwerfällig schüttelte er den Kopf: »Nein, ich bin mir ganz und gar nicht sicher. Estelle hatte ein grausames Schicksal zu tragen und sie war über den Tod von Amadeus völlig verzweifelt.«
    »Warum hast du sie dann nicht gesucht? Auch nach mir hättest du suchen können …«
    »Amanda, Hunderttausende von Menschen waren damals vermisst, verwundet, ohne Gedächtnis, paralysiert durch ihre schweren Verletzungen und das Fronterlebnis. Das Deutsche Reich gab es nicht mehr, in Berlin brach die Revolution aus, in den Straßen herrschte das Chaos … und hier im Dorf warf jedermann vor mir die Tür zu, sprach von einer schrecklichen Bluttat und verfluchte mich und unsere Familie … Ich war selber am Rande meiner Kraft, hasste meine unselige Unsterblichkeit! Nur weil ich nicht mutig genug war, selber Hand an mich zu legen, zog ich mich schließlich resignierend hierher zurück. War das falsch?«
    Ich legte beruhigend meinen Arm um ihn, denn er hatte sich in eine verzweifelte Erregung gesteigert.
    »Nein, Onkel Friedrich«, redete ich ihm besänftigend zu,»es war gut, es war genau das Richtige, denn sonst wäre ich jetzt völlig alleine. Nun aber sind wir zu zweit und können gemeinsam nach Estelle suchen.«
    Ich stand auf und küsste ihn auf die Wange.
    »Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich dich gefunden habe. Es ist das Beste, was mir seit Jahren widerfahren ist. Ich habe ja so viele Fragen an dich!«
    Und mit der mir eigenen praktischen Ader fügte ich hinzu: »Jetzt musst du aber erst einmal wieder zu Kräften kommen, das heißt, du brauchst eine anständige Mahlzeit. Gleich morgen werden wir nach Berlin aufbrechen, wo, wie du dich ja entsinnen wirst, für unsereins der Tisch immer reichlich gedeckt ist.«
    Friedrich war sehr amüsiert und meinte schmunzelnd: »Sieh an, sieh an, die kleine Amanda! Was für eine praktische Person du doch geworden

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