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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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weit von mir, denn ich war mir sicher, dass ich als Vampirin niemals von einem Menschen schwanger werden könnte, aber ich sollte mich getäuscht haben. Zwar konnte ich die Frage von Gertrud, wann ich dennzuletzt meine Blutung gehabt hätte, nicht beantworten, denn anders als menschliche Frauen blutete ich nie, doch ließ sie es sich nicht nehmen, mir das Kleid zu lüpfen und meinen Bauch eingehend zu examinieren, um schließlich zu dem Schluss zu kommen, dass ich tatsächlich schwanger sei, und zwar mindestens im dritten oder vierten Monat.
    »Es ist genau wie bei mir und du darfst mir wirklich vertrauen, immerhin stehe ich hoch in der zweiten Schwangerschaft und …«, sie strich über ihren Bauch, »… wenn du meinen Bauch mit dem deinen vergleichst, so stellst du fest, dass wir etwa drei bis vier Monate auseinander sind. Über den Daumen gerechnet!«
    Ich musste lachen, weil sie die Sache gar so ernst nahm, aber bald begann auch ich sie ernst zu nehmen, sehr ernst sogar, ja, ich empfand meinen Zustand geradezu als ein Drama, um nicht zu sagen eine Tragödie.
    Kaum war Gertrud fort, begann ich mir ebenfalls eine Rechnung aufzumachen und kam zu dem schrecklichen Schluss, dass der Zeugungszeitpunkt nur im Februar des Jahres liegen konnte, als Utz meine Untreue entdeckt und mich so brutal vergewaltigt hatte. Und obwohl ich zu der Zeit auch mit Amadeus verkehrt hatte, tröstete mich das nicht, denn es änderte nichts an der theoretischen Wahrscheinlichkeit, dass Utz ebenso gut der Erzeuger meines ungeborenen Kindes sein konnte wie Amadeus.
    Als mir das in seiner ganzen grauenhaften Dimension bewusst wurde, sprang ich vom Schreibtisch auf und rannte wie eine Wahnsinnige im Zimmer herum, begann laut zu jammern und schließlich zu schreien und brach dann haltlos schluchzend im Lehnsessel zusammen, wo ich mit angezogenen Knien noch kauerte, als das Mädchen hereinkam, um das Licht zu löschen.
    Gretchen schreckte zusammen, fragte aber sofort, ob es mir gut gehe, und weil sie aus einer kinderreichen Familie kam, erkannte nun auch sie, dass ich in Umständen war. So ging sie sehr fürsorglich mit mir um und führte mich hinüber in mein Schlafgemach, wo sie mir beim Entkleiden half und sich, nachdem sie mich zugedeckt hatte, mit guten Wünschen für mich und das Kindchen artig verabschiedete.
    Ich schloss die Augen und zog das Plumeau bis an meine Nasenspitze hoch. Dennoch zitterte ich wie das Laub des Espenstrauches im Wind.
    Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist, hatte Vanderborg einmal zu mir gesagt, und tatsächlich war das Unglaubliche geschehen.
    Doch ich konnte darüber keine Freude empfinden, vielmehr stürzte mich diese Erkenntnis in tiefste und schwärzeste Verzweiflung.
    Allein die Möglichkeit, dass es Utz’ Gewalttat gewesen sein könnte, durch die das Kind in mir gezeugt worden war, ließ mich schier wahnsinnig werden und warf mich schließlich in eine so tiefe Melancholie, dass ich nahe daran war, hinaus in die Sonne des neuen Tages zu gehen, um mein Leben zu beenden. So viel Schmach konnte und wollte ich nicht erdulden, und die Frucht dieser grauenvollen Stunden auszutragen erschien mir unmöglich, denn immer würden mir die Qual und der Schmerz gegenwärtig sein und die Erniedrigung und Perversion, mit der er versucht hatte mich zu zerbrechen. Niemals konnte aus einer solchen grauenhaften Tat etwas Gutes werden! Wenn es sein Kind war, das ich in mir trug, so hatte ich den Satan selbst im Leib, und das war mehr, als ich zu ertragen vermochte.
    Andererseits erinnerte ich mich an das liebevolle und tröstende Beisammensein mit Amadeus in meinemZimmer in der Brüderstraße, unmittelbar nachdem Utz mich so grässlich misshandelt hatte. Und es schien mir bei längerem Nachdenken nicht weniger wahrscheinlich, dass mein Kind während dieser innigen Vereinigung durch Amadeus gezeugt worden war.
    Aber was das höchste Glück für mich hätte sein können, gerann dennoch zu einem düsteren Schrecken, dessen schwarze Schwingen sich auf mein Gemüt legten und mich in einer erbarmungslosen Finsternis zurückließen, in der ich nur eins vermochte: mich selbst zu zerfleischen.

    Es war Käthe, die mich rettete.
    Sie ließ mich zwei Tage lang im Bett liegen, weil sie zunächst an eine einfache Hysterie dachte, wie sie Schwangere manchmal befielen. Doch am dritten Tag setzte sie sich mit einem Kräutertee zu mir und fragte mich dann so geschickt über mögliche Ursachen meines Zustandes aus, dass ich ihr

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