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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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zurück und streckte abwehrend seine Arme gegen mich aus.
    »Tu es nicht, Louisa! Komm nicht näher! Meide meineNähe, ich bin sehr erregt und es könnte darum ein Unglück geschehen!«
    Ich sah, wie bei seinen Worten die Eckzähne in seinem Kiefer bedrohlich hervorwuchsen und das Gelb seiner Augen noch intensiver funkelte. Dennoch wirkte er noch immer attraktiv und unglaublich anziehend auf mich.
    Was soll’s?, sagte ich mir, dann ist er halt ein Vampir! Als ich nach seinen ausgestreckten Händen griff, war es als schlüge ein elektrischer Bogen zwischen uns über. Sogar das Brizzeln glaubte ich zu hören. Aber es wurde sofort von einem tiefen, qualvollen Stöhnen überlagert, mit dem Amadeus mich ergriff und an sich zog.
    Ich schloss entsetzt die Augen, als ich die Wildheit in seinem Gesicht sah, und als ich fühlte, wie seine Zunge feucht und kühl an meinem Hals entlangfuhr, erstarrte ich in plötzlicher Panik. Was hatte er in Berlin von einem Blutkuss gesagt, der uns für immer vereinigen sollte?
    Ich fuhr zurück, stieß ihn mit beiden Händen von mir und nahezu gleichzeitig schleuderte auch er mich mit gewaltiger Kraft von sich fort. Sekunden später hörte ich ein Platschen im See, und als ich, verdattert auf den Bohlen des Stegs hockend, meine Augen wieder aufriss, sah ich ihn mit starken Kraulstößen davonschwimmen.
    Ich rappelte mich auf, und während ich schon den Weg zum Gutshaus zurücklief, konnte ich noch immer nicht fassen, was ich eben erlebt hatte. Keuchend ließ ich mich auf die Steinbank im ehemaligen Rosengarten fallen und starrte auf die Grabsteine, deren verwitterte Schrift sich im Licht des Vollmonds gut lesen ließ.
    Du gingst, bevor du da warst … Dein Herz heimgekehrt zur ewigen Ruhe … Unter dem Schwarzen Mond brach der mystische Bann …
    Ein unheimliche Kälte stieg beim Lesen in mir auf und ich hatte wieder einmal das Gefühl, dass ich viel zu wenig über meine Ahnen wusste … über jene Generationen, die früher hier auf dem Gut gelebt und offensichtlich gelitten hatten. Welche Tragik fand in den Inschriften dieser Grabsteine ihren Ausdruck? Was davon musste ich wissen, um verstehen zu können, was eben mit mir geschehen war?
     
    »Komm mit, Louisa«, weckte mich eine warme Stimme aus dem Schlaf. Es war Amadeus. Er stand neben mir. Dunkel und attraktiv wie immer. Er roch gut. Frisch wie nach einem Bad. Stimmt, er war ja im See.
    »Komm, steh auf, ich muss dir etwas zeigen.«
    Ich krabbelte wie in Trance aus dem Schlafsack und folgte ihm in meinem verknitterten Jogginganzug.
    Er gab mir eine Taschenlampe. »Da, nimm die, du wirst sie brauchen.«
    »Du nicht?«
    »Ich orientiere mich gut im Dunkeln. Ein Vorteil meiner Natur. Es funktioniert wie bei den Fledermäusen mit Ultraschall.«
    »Ach, ja?«
    »Ja.«
    Er brachte mich zu einer Tür unter der Treppe der Eingangshalle. Dahinter führten ausgetretene Sandsteinstufen in das Kellergeschoss. Das hatte ich noch nie betreten. Es war mir einfach zu unheimlich gewesen und außerdem gab es oben im Haus schon genug zu tun.
    »Wo führst du mich hin?«, fragte ich nun doch etwas ängstlich.
    »Warte es ab.« Es klang nicht unfreundlich, aber ziemlich autoritär.
    Wir gingen durch einen langen Kellerflur, an dem eine Reihe von Kellerräumen lag. Bei einigen hatte ich ganz intensive Empfindungen von Leid und Schmerz, als ich an ihnen vorbeiging. Was mochte sich hinter den Türen Schreckliches abgespielt haben? Ich fand plötzlich, dass alte Häuser schon aufgrund ihrer langen Geschichte irgendwie unheimlich waren. Vielleicht sollte ich das Gut doch verkaufen und mir später mal irgendwo einen schicken kleinen Neubau hinsetzen lassen. Ein Gebäude ohne Vergangenheit, das keine Kriege, keine Hungersnöte, keine Tragödien irgendwelcher Art erlebt hatte.
    »Es wäre sicher einfacher«, sagte Amadeus, so als hätte er erneut meine Gedanken gelesen. »Aber die Geschichte der Häuser ist ja immer nur die Geschichte der Menschen, die in ihnen gelebt haben. Und die Geschichte von Gut Blankensee ist die Geschichte deiner Familie. Die kannst du nicht ungeschehen machen, egal ob du das Gut verkaufst oder nicht. Ich würde es mir daher überlegen. Was du zu mir über meinen Namen gesagt hast, gilt auch für dich und deine Familie.«
    Wir gingen schweigend weiter, bis wir in einer Sackgasse vor einer massiven Steinmauer standen. Verstört blieb ich stehen, denn ich kannte sie aus meinen Träumen. Dahinter hatte das luxuriöse Schlafzimmer mit dem

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