Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Stirn. »Schlaf nun gut. Ich werde über dich wachen.«
Ich drehte den Schlüssel der Tür zweimal herum – Vertrauen ist gut, aber Sicherheit besser –, warf meinen alten Jogginganzug von mir und legte mich nackt in das herrliche Bett. Sofort fielen mir die Augen zu und ich sank in einen tiefen Schlaf, der fast einer Bewusstlosigkeit glich. Ich träumte nicht, und als ich irgendwann aufwachte, hatte ich zwar keine Ahnung, wie spät es war, verspürte aber ziemlichen Hunger. Gut, dachte ich, dann wird es wohl Frühstückszeit sein und stand auf.
Ich benutzte das Bad und zog mir Jeans und einen Pulli an, denn ich fand es nun doch etwas kühl hier unten. FürVampire mochte das ja vielleicht ganz angenehm sein, aber ich hätte es lieber etwas wärmer.
Ich schloss mein Zimmer auf und suchte den Weg zum Salon. Dort saß Amadeus am brennenden Kamin und es war anheimelnd warm. Wieder hatte er perfekt meine Bedürfnisse erraten. Auf dem Tisch standen Kaffee und Weißbrot.
»Wo hast du das denn her?«, fragte ich verwundert.
»Blankensee hat einen Bäckerladen, ich habe ihm sehr früh einen Besuch abgestattet. Ehrlich gesagt, war er eigentlich noch geschlossen. Deswegen gibt es auch nur Weißbrot von gestern und keine frischen Brötchen.«
»Hast du mein Auto genommen?« Das wäre mir sehr unangenehm, falls der Einbruch auffiel und man den Käfer in der Nähe gesehen hätte.
»Keine Angst, ich bin ganz gut zu Fuß. Ich laufe gerne mal ein bisschen durch die Nacht.«
Er goss mir Kaffee ein – schwarz und so stark, dass fast der Löffel darin stehen blieb, dennoch trank ich ihn und aß eine dicke Scheibe Weißbrot dazu. Köstlich! Er beobachtete mich, nahm selber aber nichts zu sich. Natürlich. Er wirkte allerdings noch bleicher als am Tag zuvor. Vielleicht sollte er es mal mit Blutersatzstoffen versuchen … Er sah wirklich ziemlich ausgehungert aus, was ich sehr beunruhigend fand.
»Kann ich nach dem Frühstück die Chronik weiterlesen?«
»Natürlich, ich werde mich dann etwas zurückziehen … du verstehst … die Tagesmüdigkeit der Vampire.« Diese Aussicht erleichterte mich. Ich musste beim Lesen wirklich nicht ständig einen Vampir in meinem Nacken haben.
Aber wer denkt denn, dass solche Ausgeburten der Fantasie wirklich existieren?
Amadeus hatte wieder meine Gedanken gelesen und lachte. »Tja, wer denkt das schon!«
Bevor ich jedoch weiterlas, musste Amadeus mir noch den geheimen Durchgang zum Gutshaus öffnen, weil ich unten im Gewölbe keinen Handyempfang hatte.
»Das liegt sicherlich an unserem Schutzschirm«, meinte er.
»Schutzschirm? Was soll das sein?«
»Durch ihn wird das geheime Gewölbe verborgen. Er arbeitet nach dem Tarnkappenprinzip, mit Elektrizität und Magnetismus. Jakob Vanderborg hat ihn entwickelt. Er hält alle Strahlung ab und lässt auch nichts nach außen dringen. So wirkt es, als wäre dieses Refugium gar nicht existent.«
Klingt gut, dachte ich, aber mir wäre es schon nicht unlieb, wenn es dennoch Handyempfang gäbe, aber leider zeigte mein Handy immer noch kein Netz an. Also raus, nach oben auf die Freitreppe, da klappte es.
Ich telefonierte mit Isabell und fragte sie, ob sie Probleme damit hätte, wenn ich noch etwas auf Gut Blankensee bleiben und für das Wochenende schon mal alles herrichten würde. »Ich habe doch in Berlin im Moment eh nichts zu tun.«
Sie fand es eine fabelhafte Idee und übernahm es auch, Marc die Situation zu erklären. Der würde vielleicht ein wenig sauer sein, weil er so ja wieder nicht zu seinem Sex kommen würde, aber das fand ich sogar ganz gut. Ich konnte mir das im Moment mit ihm sowieso nicht vorstellen. Nicht so lange Amadeus so leidenschaftlich um mich warb.
Zurück im geheimen Gewölbe verabschiedete sich Amadeus tatsächlich und zog sich in sein Schlafzimmer zurück. Ich goss mir noch mal Kaffee ein, setzte mich an Estelles Sekretär und las in Lysettes Aufzeichnungen weiter.
Blankensee, im Februar 1944
Wir sind zurück!
Es dauerte länger als ein Jahr, bis wir wieder in Berlin ankamen. Was hauptsächlich daran lag, dass Robert ein Mensch war. Er musste essen und schlafen …
Bei mehreren Händel wurde er verletzt und ich musste ihn gesund pflegen – trotz meines Vampirblutes brauchte das seine Zeit.
Wir schlugen uns bei Eis und Schnee durch ein unwirtliches Land und einmal mehr bewunderte ich die Russen, welche dieser lebensfeindlichen Landschaft Lebensraum abgewonnen hatten.
Die Orientierung fiel uns oft schwer
Weitere Kostenlose Bücher