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Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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hinunter.
    Der Mann war nirgends zu sehen.
    Hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten, redete sie sich ein. Doch schon während sie auf ihr Haus zuging, stellten sich erhebliche Zweifel ein.
    Am Spätnachmittag war Erins Hochachtung für Lehrer, Betreuer von Ferienlagern und andere Menschen, die täglich mit Siebenjährigen zu tun hatten, wieder erheblich gewachsen. So viel Energie in einer so kleinen Packung! Könnte man sie in Flaschen abfüllen, wären die USA nicht mehr auf Öl aus dem Ausland angewiesen.
    Im Zoo war es rappelvoll. Offensichtlich hatten viele Leute genau die gleiche Idee gehabt, wie man diesen letzten sonnigen Samstag vor Einbruch der Herbstkälte verbringen sollte.
    Den Mädchen allerdings schienen die vielen Menschen nichts auszumachen.
    Hand in Hand spazierten sie von Gehege zu Gehege. Ihre Freundschaft wurde durch das gemeinsame Abenteuer gestärkt. Ehrfürchtig betrachteten sie Elefanten und Nashörner, respektvoll beäugten sie die Raubkatzen, und verzaubert bewunderten sie die vielfarbigen Vögel. Janie und Alice kicherten über die Possen der Bären, verliebten sich in die Pandas und verbrachten eine geschlagene Stunde in der Mitmach-Ausstellung ›Was mache ich im Zoo‹, wo Kinder erfahren konnten, wie die Tätigkeiten eines Tierarztes oder eines Pflegers aussahen.
    Sie aßen Hotdogs und Eis und riesige Brezeln. Zuckerwatte hatte Erin ursprünglich verboten, da sie der Meinung war, die beiden Mädchen hätten inzwischen genug Zucker für einen Monat gehabt. Dann aber hatte sie es doch erlaubt. Schließlich verbrachten sie nur selten einen Tag, an dem ihre größte Sorge darin bestand, dass eine Portion Zuckerwatte des Süßen zu viel sein könnte.
    Als Erin die beiden schließlich ins Auto verfrachtete, war sie völlig erschöpft. Die Mädchen hingegen schienen noch munter genug, um mindestens zwei Stunden weiterzumachen – glaubte Erin jedenfalls, bis ein Blick in den Rückspiegel ihr zeigte, dass sie immer noch herzlich wenig über Kinder wusste. Janie und Alice waren fest eingeschlafen und hingen nun schlaff und verrenkt in ihren Gurten. Jedem Erwachsenen hätten nach dem Aufwachen sämtliche Knochen wehgetan.
    Auf der Heimfahrt herrschte himmlische Ruhe.
    Alices Mutter musste schon nach ihnen Ausschau gehalten haben, denn als Erin in die Einfahrt bog, kam sie vor die Tür. Nach einem kurzen Blick auf die schlafenden Mädchen lächelte sie Erin wissend an. »Die beiden haben Ihnen ganz schön zugesetzt, was?«
    Erin lachte leise, und Rose hob Alice aus dem Wagen. »Danke«, sagte sie, »das nächste Mal bin ich an der Reihe.« Dann trug sie ihre schlafende Tochter ins Haus.
    Janie regte sich im Schlaf, als Erin sie vor dem Haus aus dem Wagen hob und hineintrug. Marta gluckte wie eine Henne, folgte ihnen die Treppe hinauf und scheuchte Erin hinaus, nachdem sie Janie aufs Bett gelegt hatte. Dankbar überließ Erin es der älteren Frau, sich um das Küken zu kümmern.
    »Ich nehme an, dass sie nicht zu Abend gegessen hat« Marta streifte die schmutzigen Shorts und das T-Shirt ab. »Und sie braucht dringend ein Bad.« Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge und zog Janie ein sauberes Nachthemd an. »Nun, damit müssen wir wohl bis morgen warten.«
    Erin schlüpfte leise hinaus und überließ ihre Nichte Martas erfahrenen Händen.
    Genau das hatte sie gebraucht – ein wenig Zeit mit Janie. Das rückte die Dinge wieder in eine vernünftige Perspektive. Heute Morgen hatte sie damit gehadert, dass Janie eine richtige Familie brauchte, doch diese Angst war unbegründet. Sie und Marta waren Janies Familie. Und Claire, die ihr Kind liebte, auch wenn sie keine gute Mutter sein konnte. Ihre Liebe musste genügen.
    In der Küche stand ein Topf mit Chili auf dem Herd, doch Erin musste erst ihre Anspannung abbauen, bevor sie etwas zu sich nehmen konnte. Ein Glas Wein und eine warme Dusche standen ganz oben auf ihrer Liste. Sie nahm eine Flasche gekühlten Chardonnay aus dem Kühlschrank, schenkte sich ein Glas ein und ging dann ins Wohnzimmer.
    Erin stellte den Fernseher an, nippte an ihrem Wein und zappte durch die Kanäle auf der Suche nach einer Sendung, die keine großen geistigen Anforderungen stellte. Stattdessen erwischte sie die Lokalnachrichten. Beinahe hätte sie den Sender übersprungen, als ihr plötzlich etwas einfiel. Rasch schaltete sie auf den Sender zurück und ließ sich auf die Couch fallen.
    Die Worte sprangen sie förmlich an.
    Fünfjährige. Chelsea. Vermisst. Zuletzt am

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