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Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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wurde vermisst, und sie genossen die Show. Und solche Leute besaßen die Frechheit, ihn als Monster zu bezeichnen?
    Isaac ging weiter. So sehr er die kleine Szene genossen hatte – er hatte anderes vor. Er wollte an die Eltern des kleinen Mädchens heran. Gelegentlich kam er den Familien seiner Opfer sehr nahe und gestattete sich, seine Macht auszukosten. Immer dann, wenn er die Langeweile bekämpfen musste, die ihn in letzter Zeit zu ersticken drohte. Es war unwahrscheinlich, dass man ihn in seiner derzeitigen Verkleidung als den Entführer Chelsea Maddens erkannte, doch die Möglichkeit der Entdeckung verlieh der Begegnung mit der Familie einen zusätzlichen Kitzel.
    Isaac musterte die Menschen auf der anderen Seite des gelben Absperrbands. Außer den Eltern, die eng umschlungen auf einer Bank in sicherem Abstand von mitleidigen Nachbarn saßen, und ungefähr einem halben Dutzend Polizisten war da noch ein Mann im Anzug, der sich an einen Streifenwagen lehnte und in ein Handy sprach. War das etwa – FBI? Isaac überlegte, und als er den Mann erkannte, spürte er den leisen Kitzel der Gefahr. Dies war der Agent, der die Ermittlung im Fall Cody Sanders leitete. Donovan.
    Nur durch genaue Kenntnis seiner Gegner hatte Isaac so lange unerkannt bleiben können. Er hatte Donovan überprüft, der Mann hatte ziemlich viele Entführungsfälle gelöst. Isaac vermutete, dass sie sich nur aus Zufall noch nicht begegnet waren. Vielleicht wurde dieser letzte Job – wenn es denn der letzte war – spannender als alle anderen.
    Während Isaac auf eine Absperrung zuging, erregte er die Aufmerksamkeit eines jungen Polizisten, der ein wenig abseits von den Kaffee trinkenden Veteranen stand.
    Der junge Mann kam eilig auf ihn zu. »Kann ich Ihnen helfen, Pater?«
    Es war eine von Isaacs Lieblingsverkleidungen. Leg einen Priesterkragen um, und die Leute fallen vor dir auf die Knie. »Ich bin hier, Officer, weil ich den Eltern dieses armen Mädchens Trost zusprechen wollte.«
    »Sind Sie ihr Pfarrer?«
    Der junge Polizist war klug. Die meisten Cops hätten Isaac zu dem Paar geschickt, ohne weitere Fragen zu stellen. »Nein. Ich weiß leider nicht einmal, ob sie katholisch sind.« Was natürlich nicht stimmte. Isaac wusste wahrscheinlich mehr über diese Familie als sie über sich selbst. »Aber ich war zufällig in der Nähe, als ich von der schrecklichen Entführung hörte. Und ich dachte mir, die armen Eltern würden vielleicht gern mit einem Geistlichen sprechen.«
    Der Cop warf einen Blick auf das Paar. »Ist gut, Pater, ich frag mal.«
    »Danke.«
    Der junge Polizist ging mit unbehaglicher Miene auf die verzweifelten Eltern zu. Er sprach kurz mit ihnen und nickte dann Isaac zu. Die Frau wandte ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu und winkte ihn mit einem flehenden Nicken herbei. Sekunden später war Isaac an ihrer Seite, hatte ihr eine Hälfte seines Rosenkranzes zum Halten gegeben und betete laut für die sichere Rückkehr ihrer Tochter.
    Beim zweiten Herunterbeten der Ave-Marias merkte Isaac jedoch, dass es vergebliche Liebesmüh war. Hier gab es keine Herausforderung. Solche Szenen hatte er schon ein Dutzend Mal erlebt, die Eltern der kleinen Madden unterschieden sich keinen Deut von den vielen anderen, die er in seiner Eigenschaft als Geistlicher getröstet hatte. Selbst der FBI-Typ Donovan interessierte sich nicht für ihn, hatte ihm kaum einen Blick gegönnt. Isaac überlegte: Wenn er sich hinstellte und rief: Hier bin ich! Ich war's! – ob sie dann wohl auf ihn aufmerksam wurden oder nur mit ihrer fruchtlosen Suche fortfahren würden?
    Dann aber spürte er, wie ein Funken Interesse zündete, als wie aus dem Nichts eine Frau erschien und auf die Cops zusteuerte. Sie kam ihm bekannt vor – irgendwo musste er sie kürzlich gesehen haben. Isaac kramte in seiner Erinnerung. Dann fiel es ihm wieder ein. Diese Frau war heute Morgen im Park gewesen, sehr früh. Als er zum ersten Mal durch die Anlage geschlendert war, hatte sie bei einer kleinen Elterngruppe gestanden.
    Fast hätte er gegrinst. Die Herausforderung war da.
    Unablässig betete Isaac mit der Mutter weiter, während er gleichzeitig die Frau beobachtete, die mit den Streifenpolizisten sprach. Doch die schienen kaum Interesse aufzubringen. Wie enttäuschend! Wenn sie gekommen war, dann vielleicht deshalb, weil sie bei der Suche nach ihm von Nutzen sein konnte. Doch es sah so aus, als wollten die Cops ihre Aussage einfach abtun.
    Was für ein unfähiger

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