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Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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hatte.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.« Alec nahm ihren Arm und zwang sie, stehen zu bleiben. »Cody Sanders wurde am Tag seines Verschwindens am Cross Street Market gesehen.« Auf diese Wende im Fall Cody Sanders hatte Alec gewartet. Ausgegraben worden war die Information von den Ortspolizisten, die natürlich ihr Revier weit besser kannten als seine Mitarbeiter. »Er unterhielt sich mit einem Mann mittleren Alters, einem kahl werdenden Typ mit Bauchansatz.« Alec sah, wie Erin aufhorchte, da sie in seiner Beschreibung den Mann wiedererkannte, den sie im Park gesehen hatte. »Allerdings weiß niemand, wie lange er sich in der Nähe des Marktes herumgetrieben hat. Eine Woche? Einen Monat? Aber jetzt können wir ihn nicht mehr finden.«
    Er ließ Erins Arm los. Falls er nicht schon jetzt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit besaß, würde es ihm mit der nächsten Mitteilung gelingen. »Die Zeugen scheinen sich nur zu erinnern, dass dieser Mann das Hütchenspiel mit einem Einsatz von einem Vierteldollar spielte.«
    Erin wurde blass.
    »Sie kennen doch das Hütchenspiel, Dr. Baker?« Erin nickte, doch Alec erläuterte es trotzdem. »Es ist ein Taschenspielertrick, der flinke Hände erfordert. Der Betrüger legt die Kugel unter eines der Hütchen und verschiebt sie blitzschnell. Um gegen ihn zu gewinnen, muss der Spieler angeben können, unter welchem Hütchen die Kugel liegt.«
    Sie gelangten zu dem Diner, doch keiner machte Anstalten hineinzugehen. »Wenn der Betrüger gut ist«, fuhr Alec fort, »wenn er sehr flinke Hände hat …«
    »Dann wird er selten verlieren.« Erin holte tief Luft. Sie wandte kurz den Blick ab, dann straffte sie die Schultern und schien irgendeine unsichtbare Last auf sich zu nehmen. »Sie meinen den Mann, den ich im Park gesehen habe? Den Zauberer mit den flinken Händen?«
    »Schon möglich.«
    »Und den Mann in Miami – an dem Tag, als Claire verschwand?«
    »Ziemlich weit hergeholt, aber möglich. In den letzten zwanzig Jahren hat es noch ein weiteres Dutzend ungeklärter Entführungen gegeben. Deshalb bin ich gekommen. Wir müssen unbedingt miteinander reden.«
    Die Geräusche des erwachenden Tages drängten sich zwischen sie. Ein Straßenreiniger schob seinen schweren Karren am Bordstein entlang. Ein Müllwagen hielt in der Gasse hinter dem Diner und begann mit der Arbeit, die Mechanik in seinem Innern ächzte, während stählerne Greifarme einen vollen Müllcontainer hoben und ausleerten. Und ein paar Sonntagmorgenpendler strebten über die Straße, um den Frühzug in die Hauptstadt zu erreichen.
    »Warum sollte er so etwas tun?«, fragte Erin. »Warum hat er Chelsea erst entführt und sie dann wieder freigelassen?«
    »Weil ihn jemand erkannt hat.« Alec hielt inne, ließ seine Worte wirken. »Sie.«
    Sie konnte so eindrucksvoll schweigen. Eine außergewöhnliche Fähigkeit, selten zu finden, selbst unter ausgebildeten Fachleuten. Alec fragte sich, wie es Erin Baker gelungen war, diese Fähigkeit derart zu perfektionieren. »Das ist aber nur eine der offenen Fragen«, erwiderte er auf Erins Erkundigung nach Chelseas Freilassung – drückte damit aber auch seine Überlegungen über eine gewisse Dr. Baker aus. Er machte eine einladende Geste zu dem Diner hin. »Kommen Sie, ich lade Sie zum Kaffee ein und erzähle Ihnen den Rest.«
    Sie setzten sich in eine der hinteren Nischen. Allmählich füllte sich das Diner; alle Gäste hatten schlaftrunkene Augen, wollten Kaffee oder ein kleines Frühstück nach der Nachtschicht oder vor der Frühschicht. Ein Mädchen Anfang zwanzig mit neun silbernen Ringen in einem Ohr und drei in jeder Braue schenkte ihnen Kaffee ein.
    Nachdem die Kellnerin gegangen war, nahm Erin den weißen Tonbecher in die Hand, trank aber nicht. »Okay, dann sagen Sie mir mal, was Sie über den ›Magic Man‹ wissen.«
    »Nennen Sie ihn so?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Bei uns Gesetzeshütern ist er als ›Magician‹ bekannt.« Alec nahm einen Schluck vom heißen Kaffee. Wie lange konnte Koffein ihn wohl noch wach halten? »Allerdings glauben die meisten, dass er gar nicht existiert.«
    »Sie aber schon.«
    »Vor drei Jahren stoppte die Küstenwache ein Schiff namens Desert Sun vor der kalifornischen Küste. Im Logbuch stand, es transportiere Maschinenteile zu diversen Häfen in Nahost.« Alec zögerte, dann beugte er sich vor und senkte die Stimme. »Doch was man an Bord fand, waren Kinder.« Immer noch sah er die angsterfüllten jungen Gesichter vor sich, und Zorn loderte

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