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Die Dunkle Erinnerung

Die Dunkle Erinnerung

Titel: Die Dunkle Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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eine Familie zu haben.«
    »Glauben Sie mir, es ist die Hölle.« Trotz seiner Worte musste er grinsen. Alec liebte seine Familie. Aber manchmal machte die Mischpoke ihn wahnsinnig. »Oder es ist das Allerbeste auf der Welt. Kommt darauf an, an welchem Tag Sie mich danach fragen.«
    »Okay. Sie wollten also nicht in die Fußstapfen Ihres Dad treten …«
    »Nee. Auf keinen Fall. Ich hätte jeden anderen Job gemacht.«
    »Und was ist passiert?«
    Alec schaute sie an, versuchte zu ermessen, inwieweit es sie wirklich interessierte.
    »Nun sagen Sie schon«, drängte Erin.
    »Das College. Das ist passiert. Ich wollte meinen Abschluss in Mathe machen. Wollte Lehrer werden.« Wieder musste er lachen, verlegen diesmal. Er sprach nicht gern über sich selbst. »Können Sie sich vorstellen, wie ich Tag für Tag versuche, einen Haufen Bälger zu bändigen?«
    Erin lächelte. »Ehrlich gesagt, ja.«
    Alec achtete nicht auf ihren Einwurf und fuhr fort: »Ich hatte einen Zimmergenossen, der mich überredete, einen Kurs in Kriminalpsychologie zu belegen. Mir fehlte noch ein Wahlfach, und in der Gerüchteküche hieß es, dass der Kurs locker mit Eins abzuschließen sei. Außerdem war ich ja schon vorgebildet, ich hatte mein Leben lang von der Materie gehört. Also würde es nicht zu schwer werden. Und so habe ich den Kurs belegt.«
    »Und haben diese Materie lieb gewonnen.«
    »Aber nein. Ich konnte das Fach nicht ausstehen. Bin gerade mit 'ner Vier durchgekommen, was ich bis heute noch nicht verstanden habe.« Alec strich sich das Haar aus der Stirn. »Zugegeben, wenn Dad und die Onkel von den Straßen und den Ganoven redeten, klang das schon ein bisschen derber als die Belehrungen an uns Studenten. Wie auch immer, die Vier hatte mich ziemlich geärgert. Ich also zum Prof. Der sagte mir, ich hätte eine miese Einstellung und bildete mir ein, viel zu wissen, wo doch das Gegenteil der Fall sei. Hätte ich ab und zu mal ins Lehrbuch geschaut, sagte er, hätte ich vielleicht etwas gelernt. Also habe ich den Nachfolgekurs belegt, um den alten Mistkerl eines Besseren zu belehren.«
    »Und ist es Ihnen gelungen?«
    »Nicht richtig. Aber ungefähr zu dieser Zeit begriff ich, dass es bei der Sache doch um etwas mehr geht als die Jagd auf böse Buben und deren Einbuchtung in den Knast.« Alec hielt inne. Er erinnerte sich an seinen jugendlichen Trotz, seine Entschlossenheit, niemals in die Welt seines Vaters einzutreten. »Ich wollte immer noch nicht Gesetzeshüter werden, aber als ich mit dem College fertig war, reichte meine Punktzahl für das Nebenfach Kriminalpsychologie an der Uni. Außerdem war keine Lehrerstelle frei.«
    »Hört sich an, als wäre das Schicksal eingeschritten.«
    Alec lachte. »So könnte man es auch nennen. Den ganzen Sommer ist mein Dad darauf herumgeritten, dass ich mich an der Polizeiakademie bewerben sollte. Bis es mir eines Abends beim Essen zu bunt wurde. Ich hab ihm gesagt, ich würde mich nicht bei der Akademie bewerben, weil ich die Eingangsprüfung fürs FBI ablegen wollte.« Als Alec diese Eröffnung entschlüpft war, war er ebenso erstaunt gewesen wie die anderen Familienmitglieder. »Das hat ihm den Mund gestopft.«
    »Aber dann müsste er doch zufrieden gewesen sein.«
    »Ha! Sie haben keine Ahnung von Cops! Ich war dabei, zum Feind überzulaufen. Dad hat monatelang nicht mehr mit mir gesprochen.«
    »Aber Sie haben's gemacht?«
    »Ich hatte keine Wahl. Alle haben es erwartet.«
    Erin schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir wirklich. Sie enden beim FBI, bloß weil Sie …«
    »Bloß weil ich eine große Klappe habe.«
    Wieder wandte Erin den Blick ab, doch diesmal lächelte sie. In diesem Augenblick piepte ihr Handy.
    Sie zog es aus der Tasche und klappte es auf. »Ja?«
    Alec beobachtete die einseitige Unterhaltung, sah, wie Erin bleich wurde.
    »Wohin wurde er gebracht?«
    Sie lauschte einen Augenblick.
    »Ja, kenne ich. Bin gleich da.« Mit kreideweißem Gesicht beendete Erin das Gespräch und steckte ihr Handy in die Tasche.
    »Was ist?«
    »Es hat einen Unfall gegeben.« Sie stand auf. »Sam. Er liegt im Walter-Reed-Hospital.«

20.
    »Die Ärzte sagen, er kann jederzeit aufwachen.«
    Erin drehte sich zu der Stimme um. Ein großer, eleganter Mann, den sie oft genug auf Fotos, aber auch persönlich in Langley gesehen hatte, stand in der Tür. Es war das hohe Tier vom Nachrichtendienst: Thomas Ward.
    »Oder«, fuhr er fort, »er wird gar nicht mehr aufwachen. Er schwebt irgendwo zwischen vier und

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