Die Dunkle Erinnerung
geworden?« Als Alec mithörte, wie Erin den General beschuldigte, Cody Sanders gefangen zu halten, verlor er die Beherrschung. »Was macht sie da, verdammt noch mal?«
Der Techniker schaute auf. »Sir?«
Alec schüttelte den Kopf, als ihm aufging, dass er laut gedacht hatte. »Schon gut.«
Er zügelte seine Wut. Würde ihm recht geschehen, wenn sein Team das Gerücht ausstreute, er habe es vermasselt. Es war verrückt gewesen, Erins Plan zuzustimmen. Sicher, sie wäre auch ohne seine Zustimmung auf diese Party gegangen. Alec hätte sie nicht aufhalten können. Aber trotzdem …
»Verdammt«, murmelte er und fing einen neuerlichen Blick des Technikers auf. »Was macht sie da? Verlässt sie die Party?«
»Hört sich ganz so an.«
Es wurde auch höchste Zeit. Erin musste da raus, bevor sie noch mehr verderben konnte. Dann würde Alec sich einen Weg ausdenken müssen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Er lauschte, wie sie sich einen Weg durch die Menge bahnte und dabei Grüße und Bemerkungen mit den anderen Gästen tauschte. Sie war so verdammt ruhig, so gelassen, dass Alec beinahe wieder in Verwünschungen ausgebrochen wäre. Merkte sie denn nicht, was sie getan hatte? Sie hatte Codys Leben in Gefahr gebracht! Und wozu? Wenn das ein verdammter Egotrip war, würde er sie fertig machen. Er scherte sich keinen Deut um ihre Verbindungen oder ihren Arbeitgeber.
Dann aber wurde es ruhig, nur noch Erins Absätze klapperten auf dem Straßenpflaster. »Ich bin draußen«, berichtete sie, »gehe jetzt zum Wagen.«
»Ich treffe Sie dort.« Du wirst mir 'ne Menge erklären müssen. Alec nahm den Kopfhörer ab. Zu dem Techniker sagte er: »Schneiden Sie alles auf Band und schicken Sie es zur Einsatzzentrale in Baltimore. Sagen Sie Agent Hart, dass ich es mir in ein paar Stunden ansehe.« Damit wandte er sich zur Ladeklappe des Vans.
»Agent Donovan?«
Alec drehte sich um.
»Was tun wir hier eigentlich, Sir?«
Alec seufzte. »Ich wünschte, ich wüsste es.« Wenn er in die Zentrale zurückkehrte, würde er eine Menge erklären müssen. Doch zuerst musste er herausfinden, was Erin vorhatte. Er nickte dem Techniker zum Abschied zu und kletterte aus dem Van.
Draußen war es herbstlich kühl geworden. Das Thermometer war in den letzten Stunden um mindestens zehn Grad gefallen, und Wind war aufgekommen. Doch da Alec vor Zorn am liebsten um sich geschlagen hätte, war die Kälte eine willkommene Abkühlung.
Erin hatte ihm versichert, dass sie nur mit Neville reden würde. Nun aber war sie weit übers Ziel hinausgeschossen. Alec überlegte, ob sie ihn absichtlich angelogen hatte oder einfach nur inkompetent war. Nein, inkompetent war sie ganz gewiss nicht. Leichtsinnig vielleicht. Rücksichtslos. Verrückt. Aber keinesfalls inkompetent.
Alec stieg in sein Auto, das zwei Blocks von dem Überwachungs-Van und einen halben Block von Erins Wagen entfernt stand, und wartete auf sie, den Blick auf den Innenspiegel gerichtet. Schon bald sah er sie kommen – eine einsame Frau in einem schwarzen Fähnchen von Kleid und mit absurd hohen Absätzen.
Ob es schwer sein würde, sie außer Gefecht zu setzen?
Neville brauchte nur einem seiner Männer zu winken, dass er ihr folgen sollte. Und er würde kein Leichtgewicht wie Al Beckwith schicken, sondern jemanden, der wusste, wie man mit Unruhestiftern umsprang. So ein Bursche brauchte nichts weiter als die bloßen Hände.
Bei diesem Gedanken lockerte Alec die .38er unter seinem Jackett.
Doch niemand verfolgte Erin, als sie ohne einen Blick an Alecs Wagen vorbeiging und in ihren stieg. Sie fuhr los. Alec ließ ihr ein paar Minuten Vorsprung, dann folgte er.
Sie hatten verabredet, sich auf der Mall zu treffen. Erin sollte von der westlichen Seite kommen, Alec von Osten. Nachdem er einen Parkplatz gefunden hatte, machte er sich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt, wo Erin bereits wartete. Alec hätte sie fast nicht wiedererkannt. Sie hatte sich in einen Allwettermantel gehüllt und die hochhackigen Pumps gegen praktische flache Schuhe ausgetauscht. Außerdem trug sie eine Sonnenbrille und hatte eine Aktenmappe dabei, die sie gegen ihre Füße gelehnt hatte. In dieser Pose saß sie auf einer Parkbank gegenüber dem Veteranendenkmal des Koreakrieges und wirkte wie eine von Tausenden Angestellten irgendeiner Bundesbehörde, die sich nach einem anstrengenden Arbeitstag ausruht. Die Tarnung war zwar nicht narrensicher, konnte einen zufälligen Beobachter aber täuschen.
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