Die Dunkle Erinnerung
während Erin Baker und Ryan das ihre aushauchen würden.
21.
Erin hätte schon eher merken müssen, dass sie verfolgt wurde.
Es war eine der überlebenswichtigen Fähigkeiten von CIA-Offizieren, die bei verdeckten Operationen arbeiteten. Beherrschte man dies nicht, setzte man nicht nur das eigene Leben aufs Spiel, sondern auch das der Agenten, die einem unterstellt waren. Deshalb gab es ein sechswöchiges Training für CIA-Offiziere, das darauf abzielte, Überwachung und Verfolgung zu erkennen und zu vermeiden; dann folgten gespielte, praxisnahe Situationen, in denen die Grundlagen angewendet wurden und Wachsamkeit geübt wurde. Erin hatte sich in beiden Disziplinen hervorgetan.
Doch seit ihrer Rückkehr in die Staaten war sie nachlässig geworden.
Da Erin hier keine Agenten führen musste, hatte sie eine mögliche Verfolgung gar nicht mehr in Betracht gezogen. Ein Fehler, wie sie nun einsehen musste. Am Sonntagmorgen war jemand hinter ihr auf dem Joggingpfad gewesen – das hätte sie wachsam machen sollen.
Nun, dieser Fehler würde sich nicht wiederholen. Jetzt, da Erin durch Sams Unfall auf die Verfolger aufmerksam geworden war, sollten sie von ihr nur noch eine Staubfahne zu sehen bekommen.
Als sie zu ihrem Wagen ging, bemerkte sie das schmale, reflektierende Band auf der Stoßstange. Ein Nichtsahnender hatte dieses Band für einen Teil des Nummernschilds gehalten, doch es war angebracht worden: Erins Verfolger konnten ihren Wagen dadurch besser im Auge behalten, da die Rücklichter sich nicht von allen anderen unterschieden. Nicht gerade originell. Und erst recht nicht effektiv, wenn der Verfolgte es bemerkte – wie Erin soeben. Die Verfolger hätten besser eine elektronische Zielsucheinrichtung am Unterboden anbringen sollen. Doch so war Erin im Vorteil, sie konnte das Versteckspiel noch eine Weile länger durchhalten. Bevor ihre Verfolger merkten, dass sie Bescheid wusste, hätten sie Erin schon verloren.
Sie ließ das Band, wo es war, und stieg ein.
Sie hatte in einer Seitenstraße der Constitution Avenue am Westende der Mall geparkt. Nun fuhr sie auf der Constitution in östlicher Richtung zur Siebzehnten Straße, bog links ab und hielt auf Dupont Circle zu.
Erins Ziel war ihr Büro in einem der unscheinbaren Gebäude, die der CIA gehörten. Sam war einer Sache auf der Spur gewesen, die immens wichtig war. Erin musste unbedingt herausfinden, worum es sich handelte. Von ihrem Büro aus konnte sie den CIA-Zentralcomputer anzapfen und Sams Schritte zurückverfolgen. Zuerst aber musste sie ihre Verfolger abhängen, und dafür war Dupont Circle bestens geeignet.
Während Erin in nördlicher Richtung auf der Siebzehnten fuhr, passierte sie das weitläufige Areal des Weißen Hauses und überquerte die Pennsylvania Avenue. Als sie sich der K Street näherte, wo die Siebzehnte in die Connecticut Avenue mündete, wurde der Verkehr dichter.
Sie befand sich nun in einem der bevorzugten Szeneviertel Washingtons, folglich waren hier viele Menschen auf der Straße. Erin blieb auf der rechten Spur, bremste ab und zu, als wäre sie auf der Suche nach einer bestimmten Adresse, und machte damit die Fahrer hinter sich ziemlich wütend. Sie umrundete zweimal den Dupont Circle, bevor sie in die Massachusetts Avenue einbog und in südöstlicher Richtung weiterfuhr.
Wenn Erins Verfolger etwas taugten, waren sie immer noch hinter ihr. Waren sie aber Meister ihres Fachs, vermuteten sie wahrscheinlich schon, dass die Verfolgte sie bemerkt hatte. Erin war geneigt, Letzteres anzunehmen, da es immer besser ist, den Gegner zu überschätzen.
Als sie zur Fünfzehnten Straße gelangte, bog sie rechts ab und überquerte zunächst die M Street, dann die L und hielt Ausschau nach der K Street. Allmählich musste sie den Wagen loswerden. Ihr Ziel war das ›Georgia Brown's‹, ein Restaurant im Herzen von Washington, das sich auf Südstaatenküche und entsprechende Gastlichkeit spezialisiert hatte.
Erin war einmal mit einem Kollegen aus Georgetown dort gewesen und hatte sich das Lokal gemerkt, weil seine zentrale Lage ihr vielleicht einmal zustatten kommen konnte. Heute Abend war es so weit. Als sie das Restaurant erspähte, bog sie sofort ab und hielt vor dem Häuschen der ›Valets‹, die den Gästen die Wagen einparkten. Sie schlüpfte in ihre Hochhackigen und stopfte die flachen Schuhe in ihre Handtasche. Dann händigte sie dem Valet ihren Autoschlüssel aus und eilte ins Restaurant.
»Meine Verabredung ist schon da«,
Weitere Kostenlose Bücher