Die dunkle Göttin
derart kapitaler Bock bei der genauen Prüfung unbemerkt geblieben wäre, welcher die beteiligten Parteien bei der Schenkung mit Sicherheit alle Abschriften und das Original unterzogen hatten.
Es sei denn, diese eine Kopie wäre eine Fälschung
Doch wie sollte das möglich sein? Wenn dies hier eine Fälschung war, dann war es eine sehr gute. Sie war sogar so vollkommen, dass Kaeritha bezweifelte, jemand in Lorham könnte dies bewerkstelligt haben. Wie gut Salthan als Bibliothekar auch sein mochte, eine derartig makellose Fälschung eines mehr als zweihundert Jahre alten Dokumentes würde selbst seine Fähigkeiten übersteigen. Falls dies also eine Fälschung war, wer hatte sie gemacht und wann?
Kaeritha hütete sich, das Gesicht zu verziehen, als sie überlegte, wer in aller Welt ihr jemals eine Antwort auf diese Fragen würde geben können. Doch die Antworten konnten ohnehin warten, bis sie sich überzeugt hatte, dass es die einzigen Fragen waren, auf die sie eine Antwort benötigte.
Einen Augenblick lang wog sie ihre Möglichkeiten ab und sah dann Salthan möglichst ohne jeden Ausdruck an.
»Danke.« Sie tippte sehr vorsichtig mit dem Finger auf die Schriftrolle. »Das ist genau der Abschnitt von Lord Kellos Schenkungsurkunde, den ich sehen wollte. Wenn Ihr so freundlich wäret, Lord Trisu hat erwähnt, dass Ihr auch eine Kopie von König Garthas Proklamation besitzt?«
»Das stimmt, Milady«, antwortete Salthan. »Sie ist sogar in einem weit besseren Zustand als Kellos Schenkung. Ich bringe sie Euch.«
»Gern.« Während sie wartete, blätterte sie ihre anderen Notizen durch, die sie in Kalatha von der Charta abgeschrieben hatte und die in den Meinungsverschiedenheiten, die bei der Auslegung dieser Charta zwischen den Kriegsbräuten und Trisu herrschten, eine Rolle spielte.
Salthan öffnete einen weiteren Kasten und entrollte ein zweites Dokument. Er ging dabei ebenso sorgfältig vor wie bei dem ersten. Er hatte Recht, dieses Dokument war weit einfacher zu lesen als die Schenkungsurkunde über das Land. Kaeritha beugte sich vor und suchte die Passagen, die sie benötigte.
Sie las sie eine nach der anderen durch und verglich die Paragraphen mit denen, die sie in Kalatha kopiert hatte. Trotz
ihrer beachtlichen Selbstbeherrschung vertieften sich die Furchen auf ihrer Stirn mit jedem Satz. Schließlich lehnte sie sich zurück und rieb sich die Nase. Ob sie so verwundert aussah, wie sie sich fühlte?
Allmählich verstehe ich wenigstens den Grund, aus dem Er mich mit der Lösung dieses Problems betraut hat, statt Bahzell oder Vaijon zu entsenden. Er hat wirklich ein Händchen dafür, Seine Getreuen nach der Natur der Probleme auszuwählen. Selbst wenn wir armen Werkzeuge nicht den geringsten Schimmer haben, warum es ausgerechnet uns trifft. Oder was genau wir als Nächstes tun sollen.
»Ich weiß Euer Entgegenkommen sehr zu schätzen, Sir Salthan«, sagte sie nach einer Weile. »Und ich fange auch an zu begreifen, warum sich die Deutung, zu der Euer Lord gekommen ist, so sehr von derjenigen Domina Yaliths unterscheidet. Es gibt eine gewisse
Abweichung in den Dokumenten, die ich auf Grund meiner Notizen feststellen konnte. Ich will nicht behaupten, ich wüsste, wie das geschehen kann, aber es ist offenkundig. Und bevor dieses Rätsel gelöst ist, kann niemand ein abschließendes Urteil in dieser Angelegenheit fällen.«
»Da stimme ich Euch aus ganzem Herzen zu, Milady«, antwortete Salthan ernst. Trisus Oberster Richter hatte sich ihr gegenüber hingesetzt und sah sie mit seinen blaugrauen Augen eindringlich und besorgt an. »Ich habe diese Dokumente leider nicht wie Ihr unmittelbar miteinander vergleichen können, aber ich weiß, dass diese Kopien von dem Tag an, da sie geschrieben wurden, in dieser Bibliothek lagerten. Unter diesen Umständen haben mein Lord und ich keine andere Wahl, als an ihre Richtigkeit zu glauben. Im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater ist Lord Trisu nicht geneigt, Verstöße gegen seine Rechte oder Vorrechte zu tolerieren. Aus diesem Grund hat er in dieser Angelegenheit Druck auf Kalatha ausgeübt, nachdem er mich gebeten hatte, die entsprechenden Passagen genau zu prüfen. Anschließend hat er sie selbst gelesen.«
»Zweifellos habt Ihr Recht«, stimmte ihm Kaeritha zu. »Andererseits, Sir Salthan, ich kann mich des Verdachts nicht gänzlich erwehren, dass er etwas verärgerter über diese scheinbare Verletzung seiner Rechte und Vorrechte ist, weil die vermutlichen
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