Die dunkle Göttin
Aber alle Götter des Lichtes feiern das Leben, Leeana, und was könnte lebendiger sein, als eine liebevolle, gegenseitig befriedigende körperliche Beziehung?«
»Wirklich?« Etwas in dem Tonfall, mit dem Leeana dieses eine Wort aussprach, machte Kaeritha neugierig, was genau das Mädchen jetzt wohl dachte. Doch dann schüttelte sich Leeana und wandte sich wieder zu ihr um.
»Das klingt auch einleuchtend«, erklärte sie. »Aber es ähnelt nicht der Art, wie diese Leute reden, die mir aufgefallen sind.«
»Was meint Ihr damit?«
»Der liebende, gegenseitige Teil kommt dabei zu kurz«, erwiderte Leeana. »Und auch die Frage der Verantwortung.« Kaeritha runzelte die Stirn, unterbrach das Mädchen jedoch nicht. »Es haben mich auch noch einige andere Dinge überrascht, obwohl das eigentlich nicht hätte passieren sollen. Aber ich habe wohl doch noch mehr alte Überzeugungen in mir, als ich dachte. Immerhin leben die Kriegsbräute in einer Gemeinschaft von Frauen, die sich den Männern absichtlich nicht unterordnen wollen. Unter diesen Umständen hätte es mich nicht überraschen sollen, wenn sie sich andere Frauen als Partner aussuchten.
Das hat mich zwar am Anfang verwundert, doch ich habe es schnell verstanden. Was mich jedoch bekümmert, Dame Kaeritha, war nicht die Frage, in wen sie sich verlieben. Sondern es war die Art, wie diese Kriegsbräute über die Haltung Der Stimme sprachen, was die freie Auswahl ihrer Liebhaber betraf, seien es nun Männer oder Frauen.«
Nun wirkte Leeana nicht mehr befangen. Als hätte die Konzentration, mit der sie sich erklären wollte, alle Zurückhaltung gebannt.
»Warum?«
»Weil die Verpflichtung und Verantwortung, von der Ihr gesprochen habt, ihnen nicht so wichtig zu sein scheint. Sie reden darüber, als wäre es nur
eine körperliche Angelegenheit. Als ginge es nur um selbstsüchtiges Vergnügen oder einen Augenblick der Lust. Bei ihnen hörte es sich an, als würde die andere Person
nicht wirklich zählen, oder als wäre sie gar nicht wirklich da. Sondern nur ein Mittel zum Zweck. Ich bin nicht naiv, deshalb weiß ich, dass viele Menschen auf der Welt so denken, Dame Kaeritha. Aber diese Frauen haben sich darüber amüsiert, als wüssten sie genau, dass das, was sie sagten, falsch wäre, und als würde es ihnen deshalb nur noch besser gefallen. Einige von ihnen haben sich sogar fast darauf gefreut, jemandem wehzutun. Als wäre die körperliche Liebe eine Waffe, sich für alles zu rächen, was Männer Frauen jemals angetan haben. Jedes Mal, wenn ich hörte, wie eine so etwas sagte, musste ich daran denken, dass es viele Menschen gibt, die schon jetzt glauben, dass alle Kriegsbräute so denken.«
Kaeritha runzelte die Stirn. Was sie da hörte, gefiel ihr gar nicht. Es war möglich, dass Leeana auf ein paar zufällig aufgeschnappte Worte übermäßig erschreckt ansprach. Aber das Mädchen hatte selbst gesagt, dass es in der Tradition der Sothôii aufgewachsen war. Vielleicht war sie nicht so konventionell erzogen worden wie die meisten anderen, aber selbst eine unkonventionelle Erziehung nach den Regeln der Sothôii würde ihre Spuren hinterlassen.
Doch bei Leeana sah Kaeritha das anders. Das Mädchen war nicht nur sehr klug und aufmerksam, sondern die Lage, die es beschrieb, passte nur zu gut in das Muster, das Kaeritha selbst allmählich zu entdecken begann. Jedenfalls fürchtete sie, dass sie ein Muster sah.
»Glaubt Ihr, dass ich mir nur etwas einbilde?«, fragte Leeana. Erneut schien sie Kaerithas Gedanken erraten zu haben, und die Amazone schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich bin sicher, dass Ihr Euch das nicht einbildet, Leeana. Es ist zwar möglich, dass Ihr mehr in das hineinlegt, was Ihr hörtet, als tatsächlich dahinter steckt, aber ich glaube trotzdem nicht, dass Ihr Euch etwas einbildet.«
»Oh.« Leeanas Stimme klang plötzlich so kläglich, dass Kaeritha sie überrascht ansah.
»Dabei habe ich so gehofft, ich hätte es mir nur eingebildet«, erklärte die junge Frau sehr, sehr leise.
13
DIE HITZE DER MORGENSONNE wärmte die grasigen Hügel, als die verstärkte Kavallerieschwadron in den Farben von Kleinharrow und Balthar zügig nach Südosten abschwenkte. Der Wind wehte frisch und sanft aus Süden, es war noch kühl. Das würde sich jedoch ändern, wenn erst der Sommer kam, aber schon jetzt war es wärmer als am Tag zuvor. Die Spitze der Kavallerieeinheit näherte sich dem Rand der Sümpfe. Die Männer ritten an einem der schlammigen
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