Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
Vom Netzwerk:
im Weg, eine Frau, die sein Körper erkannte, auch als sein Verstand es nicht tat. Sie bewegte sich nicht, als er auf sie zukam, selbst als die Lust zu töten ihn erbeben ließ. Sie wartete gelassen und ruhig und sprach dabei Worte, die er nicht verstand, bis seine Wut sich in eine andere Art des Bewusstseins wandelte. Er witterte ihre Reife und spürte das Verlangen, das heiß in ihrem Blut floss.
    Er traf auf keinen Widerstand, als er sie von dem menschlichen Ort zu einem anderen trug, wo er sie ungestört nehmen konnte. Aber dann bewegte sich ihr Mund, und er begann die Geräusche zu hören, die sie machte, er fing an, ihnen in einem entfernten Teil seines Verstandes Sinn zu geben.
    “Das bist nicht du, Dorian”, sagte sie. “Es ist fast Sonnenaufgang. Kämpf dagegen an. Halt nur noch eine kurze Weile durch.”
    Das Monster brüllte seinen Protest. Es biss sie in den Hals, bis Blut floss und leckte dann über die Wunde, um sie zu schließen. Es presste seinen Mund fest auf ihren, um den Strom ihrer Worte versiegen zu lassen. Und sie sprach immer noch weiter.
    “Denk nach”, sagte sie. “Benutze deinen Verstand, deine Intelligenz. Kämpfe!”
    Er ließ von ihr ab. Sein Wille zog ihn gleichzeitig in zwei Richtungen. Seine Muskeln zuckten und verkrampften sich. Seine Augen wurden blind. Dann tauchte das erste Licht am Horizont auf, und er rannte fort und ließ die Frau liegen, wo sie war.
    Seine Erinnerung kam erst in der
Casa
wieder. Jeder Muskel und Knochen tat ihm weh. Gwen saß im Schaukelstuhl, der dem kalten Kamin zugewandt war. Ihr Gesicht war ruhig.
    “Jetzt geht es dir gut”, sagte sie. “Die Nacht ist vorbei.”
    Das Sofa knarrte, als er sich setzte. Verzerrte Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf: Gwen, die furchtlos unter ihm lag und Worte der Ermunterung sprach. Der leuchtende Strom ihres Blutes, ihre geschundenen Lippen. Und ihre Augen, in denen nichts stand außer Mitleid.
    “Ich … habe dir wehgetan”, sagte er.
    “Nein.” Sie stellte ihre Füße auf den Boden und hielt damit die gleichmäßige Bewegung des Schaukelstuhls an. “Du hast aufgehört, Dorian. Du hast von selbst aufgehört.”
    Aber er glaubte ihr nicht. Das Monster war zurück in seinem Käfig, aber er wusste, was es getan hatte und wie nahe es daran gekommen war, sie gnadenlos zu benutzen. Nur der kommende Sonnenaufgang hatte ihn aufgehalten, das Ende der Dunkelheit, das auch das Ende seines Wahnsinns bedeutete.
    Schon einmal war er sehr nahe daran gewesen, ihr wehzutun oder sie sogar zu töten. Die Chancen standen schlecht, dass sie ein drittes Mal entkommen konnte.
    Er stand auf, trat ans Fenster und zog bewusst die Vorhänge zur Seite. Ein breiter Sonnenstrahl kroch über seine Hand und seinen Arm. Er hieß den Schmerz willkommen und dachte wie schon so viele Male vorher daran, ungeschützt nach draußen zu gehen. Der Tod würde dieses ewige Fegefeuer endlich beenden, dieses Purgatorium aus Angst und Selbsthass. Und Gwen würde in Sicherheit sein.
    Denn für ihn war sie verloren, wie er selbst für sich verloren war. Ihre stoische Akzeptanz ihrer Gefangenschaft beschämte ihn. Ihr Mitgefühl war unerträglich geworden. Die Schönheit ihrer Augen und ihres Körpers, ihre Willensstärke, ihr sturer Mut, ihre schnelle Intelligenz – alles, was Gwen zu der Person machte, die sie war – konnten ihm nie wieder gehören.
    Er wendete sich vom Fenster ab und ließ im Schatten seine Verbrennungen kühlen. Dann erinnerte er sich daran, dass Gwen ihn der Lüge bezichtigt hatte, als er ihr erklärte, dass nur der Tod eines Meisters seinen Protegé von der Verbindung zwischen ihnen befreien würde.
    Er hatte nicht gelogen. Aber er hatte sich selbst getäuscht, als er sich eingeredet hatte, dass sie immer seinen Schutz benötigen würde. Darin hatte er falschgelegen. Gwen hatte ihre Stärke bewiesen. Sie hatte sich angepasst. Sie konnte ihr verändertes Leben ohne seine Hilfe führen, sich von Kyril fernhalten und eine neue Zukunft haben, frei von seiner Einmischung.
    Er hätte sie gehen lassen. Er wäre zum Sterben hinausgegangen, wenn es nicht einen schrecklichen Gedanken gegeben hätte.
    Was dir geschehen ist, könnte auch ihr geschehen.
Ein traumatischer Tod, der einen Bund mit Schmerz und Gewalt trennte. Düstere Leidenschaften, die aus der verbleibenden Leere aufstiegen.
    Wahnsinn.
    Alles, was ihm zu tun blieb, war, Gwens Hingabe daran, ihn retten zu wollen, zu zerstören. Er musste sie davon abhalten, sich ihm zu

Weitere Kostenlose Bücher