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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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konnte.
    “Gut”, sagte Ray, “dann mache ich mich wohl auf den Weg.”
    Gwen umarmte ihn spontan und fest. “Danke Ray. Ich schulde dir was.”
    “Pass einfach auf dich auf.” Er zog sich schnell zurück, nickte Juan zu und sah ein letztes Mal zu Dorian. Was er sah, ließ ihn schaudern. Einige Minuten lang hüpfte seine Laterne wie ein Irrlicht in der Nacht, wurde immer kleiner und verschwand dann ganz. Die Dunkelheit, die blieb, war vollkommen. Trotzdem konnte Gwen noch genug sehen. Gut genug, um einen roten Schimmer in Dorians Augen zu erkennen.
    “Sollen wir reingehen?”, sagte sie und öffnete die Tür.
    Er folgte ihr ins Wohnzimmer und kniete sich vor den Kamin. Er sammelte ein paar der Holzscheite, die daneben sauber aufgeschichtet waren, und legte sie sorgsam zusammen. Dann zündete er das Feuer mit Streichhölzern an, die er auf einem bunt bemalten Tisch in der Ecke des Raumes gefunden hatte, und zog einen Stuhl ans Feuer.
    “Setz dich”, sagte er. “Ruh dich aus.”
    Es war der erste richtige Befehl, den er ihr seit dem Kampf in der Gasse erteilte. Sie spürte einen unangebrachten Funken Hoffnung.
    Dorian war nicht vollkommen verloren. Ein Teil von ihm war immer noch bei ihr, immer noch erreichbar. Er mochte durch ein persönliches Fegefeuer der Scham, des Selbsthasses und Gott weiß was sonst noch alles wandeln. Er mochte von seiner Trauer um Angela erdrückt werden, unfähig, seinen Schmerz in Worte zu fassen. Er mochte sogar denken, dass er irgendwo nach der Grenze aus der De Havilland hätte springen sollen.
    Sie setzte sich und sah auf die Uhr. Zu Hause in New York war es acht Uhr. Lange schon Zeit zum Abendessen. Sie räusperte sich.
    “Wie lange können wir überleben, ohne zu trinken?”, fragte sie und hasste die Frage und den Drang, sie stellen zu müssen.
    Er sah ihr in die Augen. Sein Blick war immer noch verschlossen hinter der Wand, die er zwischen ihnen errichtet hatte. “Etwa eine Woche”, sagte er. “Aber die Auswirkungen des Hinauszögerns sind nicht angenehm.”
    “Dann können wir noch warten.”
    “Einen Tag oder zwei, länger nicht.”
    “Ich würde lieber …”
    “Länger nicht.”
    Sie öffnete den Mund, um ihm noch einmal zu widersprechen, aber es hatte keinen Zweck, Dorian hatte sich bereits von ihr zurückgezogen.
    Er würde diesen Abstand zwischen ihnen nicht auf ewig aufrechterhalten können. Aber sie würde ihn Stück für Stück brechen müssen, mit allem Mut und aller Ausdauer, die sie aufbringen konnte.
    “Ich glaube, ich gehe zu Bett”, sagte sie.
    “Du weißt, dass du nicht schlafen kannst”, sagte Dorian und wendete ihr immer noch nicht sein Gesicht zu.
    “Das habe ich schon gemerkt.” Sie stand auf und ging zur Flurtür. “Ich … sehe dich morgen früh.”
    Er sah auf, und Gwen bemerkte etwas Brennendes in seinen Augen, etwas, was sie endlich auch begonnen hatte, in sich selbst zu erkennen. Irrationale, unbestreitbare Lust. Er wollte sie, auch wenn er sich weigerte, ihr zu nahe zu kommen. Vielleicht lag der Hunger nur an dem Monster, das in ihm lauerte und darauf wartete, beim nächsten Neumond wieder zu entkommen. Oder vielleicht war sein Begehren so echt und wahr wie der Dorian, von dem sie wusste, dass es ihn noch gab, und der ihr das Herz gestohlen hatte. Der Dorian, der in ihr Bedürfnisse geweckt hatte, denen sie sich nicht zu ergeben wagte.
    Sie konnte Dorians Gefühle vielleicht nicht durch ihren Bund spüren, aber sie hätte wetten können, dass er ihre wahrnahm. Sie musste ihre Gefühle streng unter Kontrolle halten, und das bedeutete, dass sie ihn nicht wissen lassen konnte, wie sehr sie ihn wollte … wie sehr sie ihn liebte. Weil sie wusste – sie wusste es tief in ihrem Herzen –, dass er, wenn sie die Herrschaft über ihre Gefühle verlor, in noch größerer Gefahr stand, auch die Kontrolle über seine zu verlieren.
    Eines Tages. Eines Tages, wenn es ihm gut geht …
    “Gute Nacht”, sagte sie.
    Er folgte ihr nicht, als sie sich die beiden Schlafzimmer ansah und das kleinere für sich wählte. Die Möbel waren alle handgemacht, das Betthaupt und die Rückenlehnen der Stühle mit groben Schnitzereien verziert. Das einzige Fenster war mit Musselinvorhängen behängt, und an den Wänden hingen handgeflochtene Körbe. Das Bett war voller Dellen, aber willkommen nach dem langen Tag. Die Laken waren sauber. Gwen zog den Pyjama an, den sie in Little Rock gekauft hatte, und vergrub sich unter den Decken. Sie konnte das Knistern des

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