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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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eines Mannes in einer dunklen Soutane. “Willkommen. Es ist eine Weile her, seit wir Sie hier das letzte Mal gesehen haben.”
    Gwen stand auf. “Ich weiß. Es tut mir leid, Vater.”
    “Sie müssen sich nicht entschuldigen.” Er bedeutete ihr, sich wieder hinzusetzen, und nahm neben ihr auf der Bank Platz. “Welche Sorgen führen Sie heute hierher, Gwen?”
    “Ist das so offensichtlich?”
    Vater Sullivan lächelte. “Das bringt der Beruf mit sich.”
    Gwen hörte die sanfte Einladung in Vater Sullivans Stimme und hätte ihm fast ihr Herz ausgeschüttet … nicht nur ihre Zweifel und Ängste, sondern auch alles, was sie über Dorian herausgefunden hatte. Nur der sorgfältig gezüchtete Instinkt eines Reporters, seine Quellen zu schützen, hielt sie davon ab.
    “Ich nehme an …”, sagte sie zögernd, “ich nehme an, ich muss etwas über Vergebung wissen.”
    “Ah. Ein sehr wichtiges Thema.” Sullivan streckte sich mit einem Seufzen. “Sind Sie selbst es, die das Bedürfnis nach Vergebung verspürt?”
    Gwen zuckte zusammen. “Nein. Ich meine …” Sie schluckte. “Ich glaube, das verspüren wir alle, Vater.”
    “Würden Sie lieber zur Beichte kommen?”
    “Ich glaube, ich will einfach nur reden.”
    “Dann wollen wir reden.” Er sah ihr in die Augen. “Sagen Sie es mir.”
    Dann fing sie an zu reden, nicht von Dorian, sondern von einem hypothetischen Mann, den sie kannte. Ein Mann, der furchtbare Verbrechen begangen hatte und der nicht zu glauben wagte, dass er noch errettet werden konnte.
    “Und Sie zweifeln, dass es für ihn möglich ist, Abbitte zu leisten?”, fragte Sullivan.
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als ob sie nicht gesprochen werden wollten. “Ich habe ihm einst gesagt, dass ich an Wiedergutmachung glaube”, sagte sie. “Ich dachte wirklich, ich tue es.”
    “Was hat Ihre Meinung geändert?”
    “Ich muss immer an die Dinge denken, die er getan hat.”
    “Hat er Ihnen gesagt, welche Dinge das genau sind?”
    “Nein.”
    “Und dennoch glauben Sie das Recht zu haben, über ihn zu richten.”
    Sie verschränkte ihre Hände auf der Lehne der Bank vor ihr. “Ich … weiß es nicht, Vater. Er hat auch gute Dinge getan. Er hat mein Leben gerettet. Aber ist das genug?”
    “Genug, um Vergebung zu verdienen?” Er legte seine Hand auf ihre. “Sie wissen, dass Gott sogar die schlimmsten Sünden vergibt, wenn der Büßer ehrlich ist. Hat Ihr Freund je die Beichte abgelegt?”
    “Um ehrlich zu sein, Vater, ich weiß nicht einmal, ob er je eine Kirche von innen gesehen hat.”
    “Vielleicht würde ihm das guttun.”
    “Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber ich glaube nicht, dass er sich leicht davon überzeugen lässt.”
    Vater Sullivan nickte verständnisvoll. “Oft gibt es eine Grenze bei dem, was wir tun können, um denen zu helfen, die am meisten leiden. Es sei denn, Sie sind willens, sich selbst zu helfen.”
    Gwen ließ ihr Gesicht in ihre Hände sinken. “Wie kann er das tun, wenn anscheinend nicht einmal ich ihm vergeben kann?”
    “Ist es Ihre Pflicht, das zu tun?”
    “Ich …” Sie schüttelte den Kopf. “Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nie im Stich lassen werde.”
    “Sie müssen tiefe Gefühle für diesen Mann haben.”
    Tiefe Gefühle. Ja, die hatte sie. Sie fühlte …
    “Lieber Gott”, sagte sie.
    “Was ist, mein Kind?”
    Ich liebe ihn.
    “Geht es Ihnen gut?”
    Gwen sah zu dem Priester hoch. “Ja, Vater. Es geht mir gut.”
    So gut, wie es einem unter diesen Umständen eben gehen konnte … einem, der noch nie geliebt hatte. Vielleicht war das, was die Dichter Liebe nannten, nicht die überwältigende Ekstase, die sie einem versprachen. Vielleicht war sie eher wie ein Gift, das sich heimtückisch in den Adern ausbreitet, bis es für eine Heilung zu spät ist.
    Die Schwere der Müdigkeit drückte gnadenlos auf Gwens Schultern. Sie konnte nicht klar denken, jetzt nicht. Sie musste erst schlafen und den Schock aus ihrem Körper vertreiben.
    Und dann musst du dich entscheiden. Entscheiden, ob du einen Mann lieben kannst, der alles ist, was du zu hassen glaubtest.
    Dorian kam in der nächsten Nacht und in der darauffolgenden nicht zur Arbeit. Er ging durch die Straßen, tief in Gedanken, die sich immer weiter verknoteten, ohne Antworten zu finden. Neumond kam, er hielt sich fern von seiner Pension und versteckte sich in den Schatten, wurde von Krämpfen geschüttelt und von Visionen gefoltert, in denen immer Gwen eine Rolle spielte, ihre

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