Die dunkle Macht des Mondes
innerhalb der Splittergruppe verlieren. Der Meister würde einfach einen anderen Attentäter an seiner Stelle schicken. Aber Gwen würde Manhattan nie verlassen. Nicht einmal, wenn sie wüsste, dass ihr sämtliche Höllenhunde schon an den Fersen schnupperten.
Es musste noch einen anderen Weg geben. Und es gab ihn. Dorian blieb keine Wahl mehr. Das Risiko bestand, dass Kyril seine Art, Gwen unschädlich zu machen, als eine Form der Missachtung ansehen würde, aber er riskierte lieber das als ihren Tod.
Dorian drückte sich von der Wand ab und ging zur Treppe. In seinen Gedanken kämpften düstere Vorahnungen mit Vorfreude. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Es gab keinen Weg, Gwen verständlich zu machen, warum sie die Freiheit aufgeben musste, die sie so schätzte.
Und du freust dich darüber. Sie wird dein sein, vollkommen dein. Nichts wird sich zwischen euch stellen können.
Er verließ das Hotel mit einem bitteren Lachen. Der Sonnenaufgang stand kurz bevor, er würde nicht zu ihr gehen können, ehe es wieder dunkel geworden war. Wenn sie versuchte zu fliehen, würde er darauf vorbereitet sein müssen, ihr zu folgen.
Wenn es vollbracht war, würde sie nie wieder fliehen können.
Mitch klopfte an der Tür des verfallen wirkenden Gebäudes und fragte sich, ob er die Adresse richtig verstanden hatte. Der Mann hatte gebildet geklungen, wenn auch schon älter und ein wenig exzentrisch. Die Nachbarschaft, in der er sich gerade befand, war eher bekannt für arme Einwanderer und einfache Arbeiter, die kaum ihre Familien ernähren konnten.
Aber beim zweiten Klopfen trat der Professor an die Tür. Er war so ziemlich, wie Mitch es sich vorgestellt hatte: sein weißes Haar war wirr, und er trug eine runde Brille mit dicken Gläsern. An seiner zerschlissenen Strickjacke fehlten einige Knöpfe.
“Mr. Hogan?” Der alte Mann streckte eine pergamentartige Hand aus, die von blauen Adern überzogen war. “Ich bin so froh, dass Sie sich mit mir in Verbindung gesetzt haben. Kommen Sie rein, kommen Sie rein. Wir trinken Tee miteinander.”
Mitch betrat die unordentliche Wohnung, bemerkte die alten Möbel und auf jeder vorhandenen Oberfläche Bücher. Doktor Perkowski schob einen Stapel Papier von einem Stuhl und bot ihn Mitch an. Dann schlurfte der alte Herr in die Küche und ließ Mitch allein, der sich die Titel der Bücher auf dem Fußboden genauer ansah.
Lockruf des Blutes. Rumänische Mythen und Legenden.
In den Regalen, die fast jede Wand einnahmen, standen ähnliche Titel dicht gedrängt, zusammen mit Bänden über Linguistik und Medizin. Aber ein schmales Buch hatte einen Ehrenplatz zwischen zwei staubigen Buchstützen auf einem schmalen Tisch beim Fenster inne.
“Chroniken der Vampire”, las Mitch laut vor und stand auf, um das Buch näher zu untersuchen. Er blätterte durch die Seiten und überflog trockenen wissenschaftlichen Text, der nur sehr selten von ungelenken Zeichnungen unterbrochen war. Auf dem Buchrücken war kein Herausgeber zu finden.
“Als ich noch jung war”, sagte Perkowski, der mit einem Tablett in den Händen hinter Mitch stand, “hatte ich die Ambition, dass meine Forschung als legitimer Beitrag zur Wissenschaft angesehen wird. Ich habe Jahre an diesem Buch gearbeitet … habe jedes Land bereist, in dem Legenden von Vampiren zum Volksgut gehörten, habe Hunderte von Menschen befragt. Ich dachte, meine Beweise würden überwältigend sein. Aber sie haben mich ausgelacht, als ich mein Manuskript eingereicht habe. Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Stuhl dort frei zu räumen, junger Mann?”
Mitch gehorchte. Er steckte das Buch unter seinen Arm und half dem Professor mit dem Tablett. Perkowski setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, überraschend agil für einen Mann seines Alters, und schenkte ihnen die dampfende Flüssigkeit ein. Mitch setzte sich ihm gegenüber.
“Am Telefon waren Sie faszinierend vage”, sagte Perkowski und bot ihm einen Zuckerwürfel an. “Ich werde nicht oft wegen meiner nebenberuflichen Interessen konsultiert. Sind Sie einem Vampir begegnet, Mr. Hogan?”
Seine Frage erstaunte Mitch. Es war nicht einfach gewesen, einen sogenannten “Experten” für Vampire zu finden, und nur weil er nicht aufgeben wollte, hatten ihn die Archive der Universität schließlich zu diesem mottenzerfressenen alten Mann geführt, der so selbstverständlich von diesen Monstern sprach. Es schien, als sei er tatsächlich am richtigen Ort.
“Ich habe Grund zu der Annahme”,
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