Die dunkle Schwester
Hand und zerrte sie am äußeren Kraterhang hinunter.
Als sie fast unten am Fuß des Kraters waren, verlor Tania den Halt und stürzte auf die Knie. Edric hielt an, um ihr aufzuhelfen. Er hob einen Stein auf und zielte auf das Monster.
Aber die Mantigora folgte ihnen nicht. Sie stand oben am Kraterrand, scharf umrissen vor dem brodelnden Himmel, und stampfte mit bebendem Schwanz und aufgerissenem Rachen hin und her. Als Tania hinaufschaute, bellte das Monster und scharrte mit den Klauen am Boden. Eine riesige Steinlawine polterte herunter. Tania rappelte sich auf. »Sie verfolgt uns nicht«, keuchte sie. »Warum?«
»Weil sie die Mine bewacht«, erklärte Edric. »Und wir sind jetzt draußen.«
Tania lachte laut vor Erleichterung. »Dann haben wir’s geschafft! Wir haben den schwarzen Bernstein!«
Edric wurde totenblass. »Nein«, stieß er mit erstickter Stimme hervor, »haben wir nicht.«
Tania starrte ihn verständnislos an und Edric deutete hilflos an sich hinunter. Sein Hemd war bei dem Sturz zerrissen, und die kostbaren schwarzen Bernsteinstücke waren aus der Brusttasche herausgefallen und irgendwo in der Tiefe verschwunden.
»Oh nein!«, stöhnte Tania. »Dann müssen wir wieder zurück.«
»Nein, unmöglich«, sagte Edric. »Wir sind gerade noch mal davongekommen. Die Mantigora weiß jetzt, dass wir da sind.«
»Aber wir waren so nahe dran!«, rief Tania. »Das gibt’s doch einfach nicht!«
Edric packte ihr Handgelenk und untersuchte die Kratzer, die die Klauen der Mantigora hinterlassen hatten. »Du bist verletzt.«
Tania winkte ab. »Ist nur ein Kratzer. Das macht nichts.«
»Oh doch. Vielleicht bist du vergiftet. Komm jetzt hier weg, wir müssen die Wunde auswaschen.«
Tania war viel zu niedergeschlagen, um zu protestieren. Schweigend stolperten sie durch den strömenden Regen, stets vom heiseren Bellen der Mantigora verfolgt.
»Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg«, sagte Cordelia. »Diese Mantigora mag ein furchterregendes Geschöpf sein, aber wir werden eine Möglichkeit finden, sie zu besiegen.«
Tania sah sie finster an. »Und wie kommst du darauf?«, fragte sie herausfordernd.
Cordelia runzelte die Stirn. »Weil es uns bestimmt ist.«
Tania beneidete Cordelia um ihre Zuversicht. Wie sollten sie nur in die Mine kommen, solange die Mantigora dort lauerte? Und wie das Monster besiegen? Mit Steinen? Lächerlich!
»Pst, halt still!«, sagte Edric sanft. Tania war zurückgezuckt, als er ihre Wunde mit einem Zipfel seines Hemdes betupft hatte.
»Das brennt«, jammerte sie. »Lass das, Edric. Mir fehlt nichts.«
»Nein, ich lass es nicht«, beharrte Edric. »Wenigstens auswaschen will ich die Wunde.«
Tania reichte ihm ihren Wasserschlauch. Sie biss die Zähne zusammen, als das kalte Wasser über ihre Wunde lief. Der Schnitt war nicht besonders tief, zog sich aber über ihren ganzen Handrücken und war sehr schmerzhaft.
»Hört mich an«, sagte Cordelia plötzlich. »Ich habe einen Plan. Das nächste Mal gehen wir alle drei in die Mine. Ich zeige mich dem Monster und locke es von euch fort. Dann könnt ihr in die Höhle gehen und den schwarzen Bernstein stehlen.«
»Und wenn die Mantigora dich tötet, solange wir in der Mine sind?«, wandte Tania ein.
Cordelias Augen blitzten. »Sei unbesorgt, Schwester, das werde ich schon zu verhindern wissen!«
Tania schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich. Wir müssen uns was Besseres ausdenken.«
Cordelia ging wortlos zum Höhleneingang und setzte sich, die Arme um die Beine geschlungen, das Kinn in den Händen. Mit grimmiger Miene starrte sie in die Ferne.
»Soll ich dich verbinden?«, fragte Edric und betrachtete die gereinigte Wunde.
»Nein, ist schon gut.«
»Sicher ist sicher, Tania.«
»Ach, hör auf damit, Edric«, sagte Tania unwillig und riss ihre Hand weg. Dann stand sie auf und strich ihm übers Haar. »Ich bin okay, ehrlich.«
»Bist du sicher?«
»Es ist nu r … verstehst d u …« Tania drehte sich um, ging in die Höhle und starrte auf Oberons lebloses Antlitz in der Bernsteinkugel. Titania hatte versichert, er werde stark genug sein, um sich selbst zu befreien, wenn die Eisenbänder geschmolzen waren. Tania hätte ihn so gern aus diesem schrecklichen Gefängnis gerette t – ihr brach fast das Herz, ihn so zu sehen. Doch sie unterdrückte die Träne n – zum Weinen war jetzt keine Zeit.
Vorsichtig streckte sie die Hand nach den Isenmortbändern aus. Die Schmerzen fürchtete sie nicht; die
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