Die dunkle Schwester
waren nur die gerechte Strafe dafür, dass sie so kläglich versagt hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen drückte sie ihre Finger gegen das Eisen.
Der Schmerz schoss ihr durch den Arm bis in die Schultern, aber es war nicht so schlimm wie beim ersten Mal, als sie die Bernsteinkugel angefasst hatte. Dünne Rauchfäden stiegen von ihrer Hand auf, und das Isenmort zischte und schmolz an der Stelle, an der sie es berührt hatte. Mit ihrer nassen Hand, die Edric mit dem Wasser aus der Mine gewaschen hatte!
Tania griff nach ihrem Wasserschlauch und leerte ihn über der Bernsteinkugel aus. Das Eisen knisterte und zischte und schmolz wie Eis an der Sonne. »Edric! Cordelia!«, schrie sie und wich zurück, als eine Wolke von grauem Rauch die Bernsteinkugel einhüllte.
»Was hast du gemacht?«, fragte Edric.
»Es war das Wasser aus der Mine!«, rief Tania. »Die Kraft, die das Eisen besiegt, ist nicht nur im schwarzen Bernstein, sondern auch in dem Wasser.«
»Glaubst du mir jetzt? Ich sagte dir ja, dass wir einen Weg finden werden«, triumphierte Cordelia und legte ihre Hand auf Tanias Schultern.
»Ja, das stimmt«, gab Tania zu.
Die graue Rauchwolke löste sich auf und das Licht der Bernsteinkugel erfüllte wieder die Höhle.
»Vater!«, rief Cordelia. »Wach auf!«
Doch der König lag reglos in der Kugel, den leeren Blick in die Ferne gerichtet.
»Warum wacht er nicht auf?«, fragte Tania. »Titania hat gesagt, er würde aufwachen und sich aus eigener Kraft aus dem Bernsteingefängnis befreien.« Sie griff nach der Kugel, legte ihre gespreizten Finger über die warme Oberfläche und brachte ihren Kopf dicht an die schimmernde Bernsteinhülle. »Wach auf, Oberon!«, rief sie. »Bitte, lieber Vater, wach auf!«
Lange Zeit passierte gar nichts. Dann spürte Tania, dass die Kugel sich unter ihren Händen erwärmte und das Bernsteinlicht heller strahlte. So hell, dass sie die Augen schließen musste.
Plötzlich hörte sie Cordelia sagen: »Er erwacht!«
Die Bernsteinkugel war jetzt zu heiß zum Anfassen. Tania trat zurück, die Hand vor den Augen, und eine unglaubliche Hitzewelle schlug ihr entgegen.
Dann kam es zu einer Explosion, die Tania zu Boden warf. Verwirrt setzte sie sich auf, geblendet von dem grellen Licht, ihr Kopf von zuckenden Blitzen erfüllt. Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder klar sehen konnte. Die Kugel war in tausend Splitter zerborsten. Oberon lag leblos am Boden.
Cordelia stürzte an seine Seite und strich ihm die Haare aus der Stirn. »Vater? Wach auf! Du bist frei.«
Edric und Tania traten ebenfalls näher. Der König rührte sich nicht. Er war totenblass und seine Augen blieben geschlossen.
Cordelia blickte tränenüberströmt zu ihnen auf. »Er stirbt«, schluchzte sie. »Es war alles vergebens. Unser Vater stirbt!«
Die Macht der Sieben
XXI
I n düsteres Schweigen gehüllt, standen sie am Strand von Fidach Ren. Schweren Herzens hatten sie den leblosen König über die Insel zu ihrem Boot getragen und ihn behutsam hineingebettet. Dann hatte Edric sie zum Festland gerudert. Ihr einziger Trost war, dass der König noch atmete und seine Haut sich warm anfühlte. Tania blickte auf sein Gesicht, die goldenen Locken, den goldenen Spitzbart. Die strahlend blauen Augen des Königs waren jetzt unter den geschlossenen Lidern verborge n – Augen, so leuchtend wie ein Sommerhimmel.
Zum ersten Mal seit vielen Tagen dachte Tania an ihre Eltern in der Welt der Sterblichen. Sie hatte längst jedes Zeitgefühl verloren, aber ihre Eltern würden jetzt sicher bald aus dem Urlaub in Cornwall zurückkomme n – in eine Wohnung, die von der Schlacht mit den Grauen Rittern total verwüstet war. Und Tania selbst war spurlos verschwunden, ohne jede Erklärung, genau wie Edric. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie daran dachte, was ihre Eltern jetzt durchmachten, die ganze Aufregung, die Besuche bei der Polizei, Edric wieder der Sündenboc k … Heftig schüttelte sie den Kopf, um die quälenden Bilder loszuwerden.
Ein Schwarm Lios Foltaigg umschwirrte den schlafenden König der Elfen und stieß Schreie der Verzweiflung aus.
»Die Sonne ist tot«, schluchzte Clorimel. »Nun wird unser Land Eis und Feuer anheimfallen, die Lios Foltaigg werden erfrieren und verbrennen, und bald wird jede Erinnerung an unser Geschlecht ausgelöscht sein.«
»Er ist nicht tot«, sagte Tania. »Er ist nur müde. Wir müssen ihn von hier fortbringen.«
»Wir bringen ihn zu seiner Königin«, fügte Cordelia hinzu. »Und
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