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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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zurück.
    Tania stand auch auf, um ihrer Schwester zu folge n – um ihr noch mehr Fragen zu stellen. Aber nach zwei Schritten blieb sie stehen. Warum wollte Sancha ihr nicht sagen, wer morgen sterben musste? Wenn sie es wüsste, könnte sie denjenigen vielleicht beschützen oder ihn daran hindern, überhaupt in die Schlacht zu ziehen. Doch dann zuckte ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie erstarren ließ. Wenn das Opfer nun jemand war, der an vorderster Front stehen musste, den sie unter keinen Umständen aus der Schusslinie ziehen konnte?
    »Ich bin es«, wisperte sie tonlos. Der Sternenhimmel über ihr geriet ins Wanken, der Halbmond flackerte und schoss Blitze in ihre Augen. »Ich bin diejenige, die sterben wird.«
    Benommen stolperte sie in ihr Zelt zurück und fiel aufs Bett. Dort lag sie eine halbe Ewigkeit, zu elend, um weinen zu können. Irgendwann drehte sie sich auf den Rücken und starrte in die Luft. Stumme Tränen rollten jetzt über ihre Wangen, tropften an der Seite herunter in ihr Haar.
    »Wenn doch nur Edric da wäre«, murmelte sie. »Ich möchte ihn wenigstens noch einmal sehen. Nur ein einziges Mal, bevor ich sterbe.«
    Schluchzend drehte sie sich auf die Seite, ihr Gesicht in den Kissen vergraben, und überließ sich der Verzweiflung.

XXV
    W as für eine schöne Dämmerung«, sagte Eden. »Und doch ist sie die Künderin eines solchen Schreckenstages.« Sie wandte den Kopf und sah Tania an. »Du bist so still, Schweste r – bedrückt dich der Gedanke an die bevorstehende Schlacht?«
    »Nein«, antwortete Tania. »Ich bin okay.« Sie tätschelte Tanz den Hals. Darauf trabte er gehorsam los und trottete den langen Osthang der Salisocheide hinunter.
    Tania hatte kaum ein Auge zugetan, außer vielleicht ein paar kurze Momente in jener magischen Stunde, in der Tag und Nacht einander berühren und die Welt in ihrem Lauf innehält. Kurz vor Tagesanbruch war eine Dienerin in ihr Zelt getreten, um ihr in die Rüstung zu helfen. Schweigend hatte sie in dem kerzenerleuchteten Zelt gestanden und sich zuerst den Brust- und Rückenharnisch und dann die Arm- und Beinschienen anlegen lassen. Es kam ihr die ganze Zeit über so vor, als geschähe all dies nicht ihr selbst, sondern jemand anders. Selbst als der Schwertgurt um ihre Hüfte gebunden wurde und sie den Griff des Kristallschwerts in der Hand spürte, erschien ihr das Geschehene noch immer vollkommen unwirklich.
    Jetzt spürte sie gar nichts mehr, fühlte sich innerlich hohl und leer. Ihr Geist schwebte auf einer weißen Wolke, während ihre sterbliche Hülle sich wie ein Roboter bewegte. Selbst als die Sonne über den Niederungen im Osten aufstieg und das Frühlicht Waffen und Rüstungen der aufbruchbereiten Elfenarmee glänzen machte, löste der Anblick keine Gefühle in ihr aus. Und sie konnte sich auch nicht darüber freuen, dass der Hügel wieder saftig grün und mit Blüten übersät war. Mechanisch stieg sie auf und ritt an die Spitze des Heeres, an den Hauptleuten in ihren Rüstungen vorbei, an ihren Schwestern, die alle auf Pferden saßen, außer Cordelia, die Zephyr ritt.
    Tania hielt Tanz am Rand der Heide an und starrte zu den Truppen des Hexenkönigs hinaus. Eden war an ihrer Seite. Das Heer der Grauen Ritter schwärmte ohne jede erkennbare Schlachtordnung auf der Puckheide aus. In Tanias Augen waren sie eine Pest, die das Land überschwemmte. Die Morrigan-Hunde schlängelten sich zwischen den dürren Beinen der Grauen Ritter hindurch und heulten schauerlich. Der Boden unter der Armee von Lyonesse war braun und tot. Das frische saftige Grün, das über Nacht emporgeschossen war, endete in dem Tal zwischen den beiden hohen Heidehügeln.
    Tania und Eden ritten ins Tal hinunter, flankiert von zwei Herolden, die die königlichen Standarten des Elfenreichs truge n – eine gelbe Sonne auf himmelblauem Grund und ein weißer Mond auf einem nachtblauen Feld. Als sie ihre Reittiere am Talgrund zum Stehen brachten, dort, wo das grüne Gras in braune Stoppeln überging, brachen fünf Graue Ritter aus dem Gewimmel auf der Puckheide hervor und galoppierten auf sie zu. Vier von ihnen trugen Banner, die eine schwarze Schlange auf rotem Grund zeigten. Der fünfte war in einen Umhang gehüllt, der sich wie ein Flügelpaar bauschte, als er den Hang herabkam.
    Die Grauen Ritter zeigten ihr maskenhaftes Grinsen und ihre roten Augen funkelten vor lauter Blutdurst. Doch am schrecklichsten war das Lächeln des fünften Reiters, der sein Pferd nur wenige Meter

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