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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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hatte dort eine Besprechung mit dem für Europa zuständigen Mann von UNIVERSAL TEXTILE . Er konnte die Information zwar noch nicht verwenden, aber jeder Wissensvorsprung verbesserte die Verhandlungsposition.
    Sein Learjet flog jetzt den City Airport an. Ott genoß den Blick auf die Stadt. Alles lief wieder für ihn.
    Blank kam ihm in den Sinn, dem er einen Teil dieses Erfolgs zu verdanken hatte. Der Mann gefiel ihm. Ott arbeitete mit vielen Anwälten zusammen, aber bei keinem hatte er diesen Killerinstinkt entdeckt, den er bei Blank vermutete. Er hatte noch nie mit Geiger, von Berg, Minder & Blank zusammengearbeitet. Vielleicht sollte er seine Beziehungen zu Geiger auffrischen.
    Blank hatte von einem indischen Restaurant in einem Vorort der Stadt gehört. Es befand sich in einer alten Dorfkneipe namens Ochsen. Die Brauerei, der das Lokal gehörte, hatte sich gegen eine Namensänderung gestemmt.
    Er wußte, daß die indische Küche viele fleischlose Rezepte kannte. Außerdem war er sich ziemlich sicher, daß er in einem indischen Restaurant, das Ochsen hieß und in Hinterdorf lag, nicht erkannt würde.
    Blank hatte Lucille bei ihrer Wohnung abgeholt. Als er an der Klingel mit dem Schild L + P drückte, ging im dritten Stock des verwitterten Mietshauses ein Fenster auf, und Lucille rief: »Komme!«
    Kurz darauf stand sie vor ihm in einem langen petrolgrünen Kunstpelz, aus dem schwere Wanderschuhe schauten. Er brachte sie zu seinem Wagen. Sie machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem. Kommentarlos, als ob sie jeden Tag in schwarzen Jaguars herumchauffiert würde.
    Als sie aus der Stadt hinausfuhren, fragte sie: »Wohin fahren wir?«
    »Zum Ochsen in Hinterdorf.«
    »Klingt nicht sehr vegetarisch.«
    »Wir werden sehen.«
    Das Lokal war schwach besetzt. Er entdeckte, wie er vermutet hatte, kein bekanntes Gesicht unter den Gästen. Das war auch besser so, denn unbemerkt wäre er in Lucilles Begleitung nicht geblieben. Unter dem Kunstpelz trug sie eine bunte Kombination aus verschiedenen asiatischen Trachten. Eine enge, nabelfreie indische Seidenbluse unter einer offenen chinesischen Jacke mit Stehkragen. Dazu ein mit Seidentüchern verschiedener Provenienzen gegürteter thailändischer Sarong, der einen interessanten Gegensatz zu ihren schweren Schuhen bildete.
    Lucille war begeistert, als sie merkte, daß der Ochsen ein indisches Lokal war. Sie sprach ein paar Worte Hindi, fast mehr als der Kellner, dessen Muttersprache Marathi war und den der golden eingefaßte rote Punkt auf ihrer Stirn aus dem Konzept zu bringen schien.
    Urs Blank überließ ihr die Auswahl der Speisen. Sie bestellte Blumenkohl mit Tomaten-Koriandersauce, Auberginen mit Knoblauch, Mungobohnen mit Kokosnuß und Kartoffelcurry. Dazu wurden verschiedene Pickles und Gemüsechutneys gereicht. Zu trinken gab es gekühlten Kreuzkümmeltee mit Minze.
    Lucille war der erste erwachsene Mensch in seinem Leben, der fragte, wenn er etwas nicht verstand. Nie schien sie zu befürchten, sie könnte sich blamieren, wenn ihr eine Sache unbekannt, ein Wort oder ein Gedankengang fremd waren. Ihre Neugier und ihr Wissensdurst waren so entwaffnend, und ihr Altersunterschied so groß, daß sich Blank mehrmals bei kurzen Ausrutschern ins Gönnerhafte ertappte.
    Noch nie hatte Blank einen Menschen getroffen, der ihm so wenig vormachte und der es so wenig verstanden hätte, wenn er ihm etwas vorgemacht hätte.
    Als sie ihn nach dem Essen fragte, was er heute gemacht habe, antwortete er: »Einen alten Mann ruiniert.«
    Sie schien nicht schockiert. »Und jetzt tut es dir leid?«
    Urs überlegte. »Irgendwie schon.«
    »Dann mach es wieder gut.« Damit war für Lucille das Thema erledigt.
    Später, als sie in ihre Straße einbogen, sagte sie: »Glück gehabt, Parkplatz.«
    Ein paar Stunden später wußte Urs Blank, woran ihn der Duft von Sandelholz-Räucherstäbchen in Zukunft erinnern würde: An durch Seidentücher gedämpftes Licht auf dem jungen Körper einer Frau mit blaßblauen Augen. An das Klingeln ihrer Armreifen. Und an ein junges graues Kätzchen, das sie beobachtete.
    Evelyne Vogt erwachte. Im gedimmten Licht von Urs’ Nachttischlampe sah sie eine Gestalt. Es war Urs. Er stand reglos da und schaute sie an. Evelyne stellte sich schlafend.
    Als sie die Augen wieder öffnete, war er verschwunden.
    »Urs?«
    Keine Antwort. Sie machte Licht und stand auf. Das Wohnzimmer war dunkel. Die Digitalanzeige der Musikanlage zeigte halb vier.
    In der Küche fand sie ein leeres

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