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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Martin Suter
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Nachforschungen nach der Identität des Waldmenschen erübrigen. Pech gehabt. Zwar war er nicht sicher, ob Ott die Wahrheit gesagt hatte. Aber er hatte nicht nachhaken können. Er hatte froh sein müssen, daß Ott ihm überhaupt Auskunft gab. Der Mann war Multimillionär.
    Zum Glück war Harder keine politische Buchhandlung. Die Spezialisierung auf Natur und Garten ließ ihn auf ein entspanntes Verhältnis zur Obrigkeit hoffen.
    Der ältere Herr, der ihn empfing, schien diese Hoffnung zu bestätigen. Er warf einen flüchtigen Blick auf Weltis Ausweis und führte ihn in einen winzigen Raum hinter der Kasse. Ein Tisch und zwei Stühle, auf denen sich Bücher stapelten. Eine Kaffeemaschine, in der ein Rest Kaffee einen Geruch nach Verbranntem verbreitete.
    Der ältere Herr stellte sich als Meinrad Harder junior vor. Welti zeigte ihm den Pilzatlas und das Signet der Buchhandlung Harder. »Können Sie feststellen, wem Sie das verkauft haben?«
    Harder junior runzelte die Stirn. »Warten Sie einen Moment.« Er ging hinaus und kam kurz darauf mit dem gleichen Atlas zurück. Er entnahm ihm eine Karte, auf der fein säuberlich und mit Datumsstempel die Ausgänge des Werks verzeichnet waren. »Der Atlas wurde dieses Jahr elfmal verkauft. Nur falls er auf Rechnung ging oder mit Kreditkarte bezahlt wurde, kann ich feststellen, von wem.«
    »Können Sie das prüfen?«
    »Eilt es?«
    Welti nickte.
    »Dann versuche ich es noch diese Woche zu tun.«
    Das war zwar nicht gerade, was sich Welti unter einer speditiven Bearbeitung seines Anliegens vorgestellt hatte. Aber er bedankte sich, gab Harder junior seine Telefonnummer und verabschiedete sich.
    Unter den glasigen Blicken seiner Trophäen saß Pius Ott vor dem Bildschirm eines PC s und surfte im World Wide Web. Er gab den Suchbegriff »conocybe caesia« ein, den Namen des Pilzes, den Blank so heftig unterstrichen hatte.
    Die Suchmaschine lieferte ihm eine Liste von zwölf Links. Er verglich sie mit der Liste der Sites, die der nächtliche Eindringling an Christoph Gerbers Computer besucht hatte. Eine stimmte überein.
    Ott klickte sie an. Nach einer Weile hatte der PC eine Liste häufig gestellter Fragen zum Thema psychoaktive Pilze geladen. Der conocybe caesia wurde in der Antwort auf die Frage erwähnt: »Gibt es eine Alternative zu Harmala-Samen?« Soviel Ott aus der Antwort schließen konnte, enthielt der Pilz MAOH s.
    Er tippte den Suchbegriff MAOH ein. Eine lange Liste erschien auf dem Bildschirm. Ott begriff rasch, daß es sich um einen Wirkstoff handelte, der unter anderem die Wirkung von Psilocybin verstärkte.
    Blank war also auf der Suche nach einem Pilz, der die Wirkung psychoaktiver Pilze verstärkte. Hatte er ein Drogenproblem? War er deswegen im Eschengut gewesen?
    Der Wald, durch den Blank ging, bot wenig Deckung. Er bestand aus in Reih und Glied gepflanzten Fichten, zwischen denen man genug Platz für schwere Holzerntemaschinen gelassen hatte. Alle paar hundert Meter traf er auf einen der Forstwege, die den Wald in kleine, gut zugängliche Portionen zerschnitten. Der Gesang der Vögel wurde übertönt von der Brandung der Autobahn.
    Er hatte sich getäuscht, als er dachte, er könnte das Rubliholz in vier Tagen erreichen. Heute war der fünfte Tag, und er würde bestimmt noch einen weiteren benötigen.
    Immer öfter auf seinem Weg in den Nordosten war er auf unbewaldete Flächen gestoßen, die ihm zu groß oder zu belebt waren, um sie bei Tageslicht zu überqueren. Er hatte sie entweder umgangen oder gewartet, bis es dunkel wurde.
    Einmal war er in die Manöverübung einer Rekrutenschule geraten und mußte sich beinahe acht Stunden in einer flachen Mulde versteckt halten.
    Und jetzt versuchte er schon seit einer Stunde, die Autobahn zu überqueren.
    Die Nahrungssuche hatte ihn auch Zeit gekostet. Er mußte seine knappen Vorräte schonen und war gezwungen, in diesen übernutzten Wäldern Pilze zu finden. Auf einem frisch abgeernteten Rübenfeld hatte er Reste von Zuckerrüben gefunden, die er zu Brei kochte.
    Immer häufiger ließ es sich nicht verhindern, daß er Menschen begegnete, Waldarbeitern, Spaziergängern, Bauern. Er grüßte sie wie ein Sonntagswanderer, und sein Haß auf sie wuchs mit jedem Mal.
    Endlich sah er durch die Stämme eine Fußgängerüberführung. Als er sich der Rampe näherte, bemerkte er, daß ein älterer Mann darauf stand. Er lehnte am Geländer und starrte auf die Autos, die unter ihm durchbrausten.
    Blank legte den Rucksack ab und
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