Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Handwaschbecken ins kalte Wasser gestellt. Ralph sieht
darin natürlich mal wieder deren Entweihung.«
»Kindergarten«, murmelte nun
auch Hackenholt kopfschüttelnd. »Habt ihr die beiden Stadtstreicher gefunden?«
Stellfeldt nickte. »Ja, aber wie
nicht anders zu erwarten war, konnten sie sich plötzlich an nichts mehr
erinnern. Sie haben nur zugegeben, gemeinsam mit dem Professor bis kurz vor
Mitternacht gebechert zu haben. Dann hat sich jeder seinen eigenen Schlafplatz
gesucht. Streit hat es natürlich keinen gegeben, und wohin Heinrich Gruber
wollte, hat er ihnen angeblich auch nicht verraten. Einerseits ist diese
Aussage durchaus glaubwürdig, denn die Jungs hüten ihre Geheimnisse
voreinander, andererseits scheinen sie spitzbekommen zu haben, dass sie bisher
die Letzten sind, mit denen der Professor gesehen worden ist.«
»Na gut, dann warten wir eben ab,
was das Wetteramt sagt. Vielleicht hat es in der Nacht ja gar nicht geregnet.«
Saskia Baumann steckte den Kopf
zur Tür herein. »Wollder aa ern Eiskaffee?«
»Nur wenn ich damit nicht meine
Neutralität aufgeben muss. Sonst bleibe ich lieber die Schweiz.« Hackenholt hob
abwehrend die Hände.
»Nein, nein, wir vertragen uns
schon wieder«, brummte Wünnenberg, der hinter seiner Kollegin im Türrahmen
erschien. »Ich bin Saskia einfach nicht gewachsen. Im Fränkischen gibt es viel
mehr Schimpfwörter als im Hochdeutschen.«
Hackenholt musste grinsen.
Saskia war mindestens zweieinhalb Köpfe kleiner als Wünnenberg und noch dazu um
einige Jahre jünger, aber sie würde ihren Weg bei der Polizei machen, da war er
sich absolut sicher. Trotz ihres Sprachhandicaps. Gemeinsam setzten sie sich in
den Besprechungsraum und hielten im Beisein einer Familienpackung Vanilleeis
und der umstrittenen Kanne Kaffee eine späte Mittagspause ab, bis die
Schreibkraft der gemütlichen Runde ein Ende setzte, indem sie verkündete, sie
habe eine Anruferin in der Leitung, die einen Ermittlungsbeamten sprechen
wollte.
Hackenholt stand auf und nahm
das Gespräch in seinem Büro entgegen. Die Frau erklärte ihm, dass sie wegen des
Obdachlosen aus der Zeitung anrief, und begann zu erzählen.
Sie wohnte in Laufamholz, Am
Behlanger, und ging sonntagmorgens immer mit einer Freundin joggen. Letzten
Sonntag waren sie gemeinsam die große Schleife im Wald gelaufen und auf dem
Rückweg hinter den letzten Kleingärten der gesamten Anlage herausgekommen, an
deren südlichem Rand sie dann zurückgegangen waren. Dort begegnete ihnen kurz
vor der Einmündung in die geteerte Straße ein Stadtstreicher. Anfänglich war
sich die Anruferin nicht ganz sicher gewesen, ob es auch wirklich der Mann aus
der Zeitung war, denn er trug ein anderes Hemd als auf dem Bild und auch keine
Kappe. Deswegen hatte sie gestern erst noch bei ihrer Freundin vorbeigeschaut,
um ihr das Foto zu zeigen. Ihre Freundin war sich sicher gewesen, dass sie
diesen Penner und keinen anderen gesehen hatten. Auf Hackenholts Nachfrage hin
konnte sie die Kleidung, die Heinrich Gruber getragen hatte, genau beschreiben.
Die Freundin hatte sich auch an die zwei Plastiktüten und einen großen,
bundeswehrähnlichen Rucksack erinnert. Der Hauptkommissar notierte die
Kontaktdaten der beiden Frauen und bedankte sich für den Anruf.
»Der Bericht vom Wetteramt ist
gerade gekommen.« Stellfeldt stand im Büro. »Am Sonntag hat es nachmittags
gegen halb fünf mal ein bisschen geregnet. Die nächsten kurzen Schauer gab es
dann erst wieder ab einundzwanzig Uhr, und zwischen dreiundzwanzig Uhr und ein
Uhr nachts hat es dann so richtig geschüttet. Montags war es bewölkt mit dem
einen oder anderen kurzen Schauer, bis dann gegen neunzehn Uhr das richtige
Unwetter losbrach, in dessen Verlauf es zu mehreren Blitzeinschlägen und den
Überschwemmungen in der Südstadt kam.« Er legte eine ausgedruckte Tabelle auf
Hackenholts Schreibtisch. »Die Angaben beziehen sich natürlich auf ganz
Nürnberg und nicht speziell auf den Bereich um den Tiergarten. Eine nach Stadtteilen
detaillierte Aufstellung gibt es leider nicht, aber bei der allgemeinen
Wetterlage und der Regenmenge, die da runtergekommen ist, hat es sowieso ganz
Nürnberg getroffen und nicht nur einzelne Gebiete.«
Hackenholt nickte. »Gut. Vom
Wetter her kämen also Sonntag und Montag für die Tat in Frage, Dr. Puellen
vermutete Samstag oder Sonntag. Den Samstag können wir jetzt immerhin mangels
Regen ausschließen. Außerdem war gerade eine Frau am Telefon, die mit ihrer
Freundin
Weitere Kostenlose Bücher