Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
Vom Netzwerk:
beträgt rund fünfzig Hektar
bei einer Länge von etwa zweitausendsechshundert Metern und einer
durchschnittlichen Tiefe von einem Meter neunzig. Am 28. Oktober 1959 beschloss
der Stadtrat, in den Flussauen einen See zu gestalten. 1965 war der See auf dem
Papier, genauer gesagt im Flächennutzungsplan, bereits vorhanden, im Jahr
darauf wurde das Wasserwirtschaftsamt mit einem Bauentwurf in drei Abschnitten
schon etwas konkreter. Im Dezember 1968 ging es schließlich richtig los. 1981
war der Wöhrder See endlich in der heutigen Form angelegt. Er gliedert sich in
den Unteren Wöhrder See im Westen – angrenzend an den Stadtteil Wöhrd und
übergehend in die Wöhrder Wiese – und in den Oberen Wöhrder See im Osten, der
sich zwischen den Stadtteilen Erlenstegen und Mögeldorf erstreckt. Am Wöhrder
Talübergang gibt es übrigens ein wunderschönes Kleinod zu bewundern, das dir
sicher gefällt.« Sophie lächelte Hackenholt an und deutete auf eine Abbildung
im Buch.
    »Aber das ist doch eine der
Reiterfiguren vom Neptunbrunnen!«, staunte er.
    Sophie nickte. »Genau. Dieser
Zweitguss stand ab 1914 im Volksbad, von wo aus er bei dessen Schließung 1994
an den Wöhrder Talübergang übersiedelt wurde. Dort pustet das Pferd nun in den
Sommermonaten seinen mächtigen Wasserstrahl in den See. Wir sollten unbedingt
mal einen Spaziergang dorthin machen.« Wieder senkte sie den Blick in das Buch.
»Ach ja, das hätte ich fast vergessen: Das Südufer wird von der
Norikus-Wohnanlage dominiert. Der Hochhauskomplex mit etwa achthundertfünfzig
Wohnungen wurde 1969 bis 1972 nach Entwürfen von Harald Loebermann erbaut.«
Sophie schnitt eine Grimasse. »Aber den Norikus wirst du ja wegen seiner
Beliebtheit unter den Selbstmördern schon ausreichend kennengelernt haben.«
    »Mich interessiert vor allem der
Obere Wöhrder See«, lenkte Hackenholt schnell von dem unerfreulichen Thema ab.
»Der hat im Moment kein Wasser.«
    »Stimmt«, sagte Sophie, »das
stand neulich in der Zeitung. Der Sandfang muss mal wieder ausgebaggert
werden.«
    Hackenholt verzog das Gesicht.
Nicht schon wieder! Alle Welt schien über das Ereignis informiert zu sein und
zu wissen, was es damit auf sich hatte – alle außer ihm. »Und was genau ist ein
Sandfang? Warum muss er ausgebaggert werden? Wie oft findet so etwas statt?«,
fragte er leicht gereizt.
    »Der Sandfang ist das Gebiet, an
dem sich früher die beiden Pegnitzarme trennten. Man hat ihn ganz bewusst so
angelegt, denn die Pegnitz schwemmt Unmengen von Sand an, die sich dort stauen
und alle zwei, drei Jahre abgebaggert werden müssen. So wird verhindert, dass
der gesamte Wöhrder See verschlammt und versandet und am Ende gar kein See mehr
übrig ist. Ich glaube, gelesen zu haben, dass sich dort pro Jahr rund
zehntausend Kubikmeter Schlamm ansammeln. Damit man die ausbaggern kann, wird
die Pegnitz durch den Sammler umgeleitet. Das sich noch im See befindende
Wasser fließt dann allmählich ab und legt ihn trocken. Aber sag mal, warum
interessierst du dich überhaupt so dafür?«
    Zögerlich erzählte Hackenholt
Sophie von dem grausigen Fund, den seine Kollegen in den Blumenkübeln im
abgelassenen Seebett gemacht hatten.
    Ein paar Stunden später rief
Hackenholt Christine Mur auf ihrem Handy an. Sie war noch immer im Krematorium.
    »Das ist das Schlimmste, was ich
bisher gesehen habe.« Sie klang fix und fertig. »Wir haben den ganzen
Nachmittag lang die Pötte aufgesägt und den Zement herausgeklopft und sind noch lange nicht fertig. Mir ist unbegreiflich, wie jemand so etwas tun kann, aber
wie es aussieht, sind alle Körperteile da: Kopf, Rumpf, Gliedmaßen –« Sie brach
abrupt ab. Im Hintergrund konnte Hackenholt kurz das Aufkreischen einer Säge
hören, dann wurde es wieder still. »Hallo? Bist du noch dran?«
    »Ja, ja, ich bin noch hier.«
    »Dr. Puellen kam sofort, als er
hörte, was wir gefunden haben.« Mur stöhnte. »Heute ist er ausnahmsweise sogar
mal halbwegs erträglich. Selbst ihm scheint es für eine Weile die gute Laune
verhagelt zu haben.« Hackenholt glaubte, in Murs Stimme einen Anflug von
Genugtuung zu hören. »Wie ich heute Mittag schon prophezeit habe, wird er die
Obduktion morgen früh durchführen. Allerdings nicht ganz so früh. Du sollst um
neun hier sein. Am liebsten hätte er es noch heute Abend hinter sich gebracht,
aber da habe ich gestreikt. Irgendwann brauche ich auch mal eine Pause.«
    »Ich werde da sein«, versprach
Hackenholt. »Kannst du mir vorab schon ein

Weitere Kostenlose Bücher