Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Gepolter luden die Sanis die Trage aus dem Fahrzeug
aus und übernahmen den Verletzten. Aus dem Augenwinkel sah Hackenholt, wie auch
die Beamtin mit Frau Blinow zum Rettungswagen hinüberging. Immer mehr Fahrzeuge
trafen ein. Ein weiterer Rettungswagen mit einem Arzt vom Südklinikum, ein
Gelenkbus von der VAG , dann noch
zwei Feuerwehrfahrzeuge. Die Polizisten drängten die Hausbewohner, sich in den
Bus zu setzen. Hackenholt ging zu Irina, die allein in der Menge stand, und
wurde auf halbem Weg von Wünnenberg eingeholt.
»Die Feuerwehr vermutet, dass im
Keller noch Menschen sind. Frau Blinow behauptet, ihr Mann sei runtergerannt,
weil Sergej und Boris dort waren.«
Wieder kamen Feuerwehrleute aus
dem Haus. Zwischen sich hielten sie ein Tragetuch aufgespannt, in dem jemand
lag. Sofort wurden sie von dem Arzt und den Sanitätern umringt, und auch Irina
drängte sich jetzt durch die Menge zu ihnen. Ihr Gesicht war verweint.
Hackenholt passte sie ab und führte sie zu seinem Auto.
»Irina, ich bin von der Polizei,
warte bitte hier. Ich hole deine Mutter, und dann bringen wir euch ins
Krankenhaus.«
Er drängte sich durch die
Menschen hinüber zum Rettungswagen, wo sich noch immer die Streifenbeamtin um
Frau Blinow kümmerte. Gemeinsam mit der Kollegin brachte er sie zu seinem
Wagen.
Wünnenberg nahm Hackenholt
beiseite. »Sie haben beide Jungen und den Vater im Keller gefunden. Sergej hat
Verbrennungen und eine Rauchgasintoxikation, er ist in dem ersten
Rettungswagen. Keine Ahnung, wie schwer die Verletzungen sind.« Er wies auf ein
Fahrzeug des Roten Kreuzes, in dem zielgerichtete Betriebsamkeit herrschte. »Der
Vater wollte offenbar im Keller löschen, war aber schon bewusstlos, als sie ihn
fanden.«
»Und Boris?«
Wünnenberg schnitt eine
Grimasse. »Boris ist tot. Der Einsatzleiter Feuerwehr hat mir gesagt, dass es
im Keller wahrscheinlich eine Explosion gegeben hat. Mehrere Leute wollen einen
Knall gehört haben, bevor das Feuer ausbrach.«
Neben ihnen fuhr in diesem
Moment der Rettungswagen los, in dem Herr Blinow behandelt wurde. Auch der
Sanker mit Sergej schaltete nun sein Blaulicht ein.
Eilig rannte Hackenholt hinüber
zum Fahrer des Notarztfahrzeuges, um zu erfahren, wohin die beiden gebracht
wurden. Natürlich ins Südklinikum, lautete die knappe Antwort.
»Und jetzt?«, fragte Wünnenberg.
»Soll ich Mutter und Tochter hinterherfahren und mit ihnen im Krankenhaus bleiben?«
Hackenholt nickte. »Das wäre
gut. Ich gehe zurück zu Manfred und Saskia in die Imbuschstraße und …« Statt
den Satz zu beenden, machte er eine Geste in Richtung des schneeweißen
Bettlakens, unter dem Boris’ regloser Körper vor den Blicken der Umstehenden
verborgen lag.
Nachdem Wünnenberg weggefahren
war, holte Hackenholt sein Handy heraus und rief Stellfeldt an. Ohne ihn über
die Geschehnisse zu unterrichten, bat er ihn, mit Baumann an Ort und Stelle zu
bleiben und auf seine Rückkehr zu warten. Außerdem sollte Herr Kusnezow seine
Frau in der Arbeit anrufen. Sie musste sofort nach Hause kommen. Danach
gesellte sich Hackenholt zum Einsatzleiter Feuerwehr. Das Feuer war inzwischen
gelöscht. Die Ermittlung der Brandursache blieb natürlich der Kripo vorbehalten,
aber der Einsatzleiter konnte Hackenholt immerhin schon sagen, dass die
darüberliegenden Stockwerke nicht übermäßig schlimm in Mitleidenschaft gezogen
worden waren und die Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren konnten, sobald
sich der Rauch verzogen hatte. Als Nächstes ging der Hauptkommissar schweren
Schrittes zu dem Kollegen, der neben Boris’ Leiche stand und sich Notizen
machte. Hackenholt klärte ihn über den Toten auf und teilte ihm mit, dass er es
übernehmen würde, die Eltern zu benachrichtigen, da seine Ermittlungen bereits
die beiden Jungen mit einbezogen.
Während Hackenholt das kurze
Stück zur Wohnung der Kusnezows zurückging, rief er Christine Mur im Präsidium
an. So knapp wie möglich schilderte er ihr, was sich zugetragen hatte, und bat
sie, zum Südfriedhof zu fahren, wohin der tote Junge gebracht werden würde, und
Proben für eine DNA -Analyse zu
nehmen. Danach sollte sie Hackenholt in der Imbuschstraße treffen.
Ein paar Sekunden lang blieb
Hackenholt am Gangfenster im zwölften Stock des Hochhauses stehen, atmete tief
durch und sah auf das Grün des sich vor ihm erstreckenden nahen Reichswaldes
hinab, bevor er sich abwandte und auf die Türglocke drückte. Stellfeldt öffnete
und sah sofort, dass etwas Schwerwiegendes
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