Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
haben Neuigkeiten.«
Wortlos trat der Mann von der Wohnungstür zurück und öffnete sie
weit. Baumann und Hackenholt folgten Aleksandrs Vater ins Wohnzimmer,
Stellfeldt und Wünnenberg blieben in der Diele stehen.
»Herr Kusnezow, wir sind heute gekommen, weil wir die Wohnung
durchsuchen müssen. Die bisherigen Verdachtsmomente gegen Ihren Sohn haben sich
zwischenzeitlich erhärtet«, erklärte Hackenholt.
Der Mann schlug die Hände vors Gesicht. »Was Aleksandr getan diese
Mal?«, fragte er nach einer Weile leise.
»Er hat einen toten Jugendlichen
zerstückelt und die Leichenteile in Blumenkübel einzementiert. Wahrscheinlich
war er auch an dessen Ermordung beteiligt, der Junge wurde totgeprügelt. Zudem
sind wahrscheinlich wieder Drogen im Spiel gewesen.« So schwer es Hackenholt
auch fiel, die bestialische Tat in derart nüchterne Worte zu fassen, so war er
sich doch bewusst, dass er den Vorteil nutzen musste, den genau diese
Emotionslosigkeit ihm beim Vater verschaffte.
Herr Kusnezow stieß einen
animalischen Klagelaut aus, der an das Heulen eines Wolfes erinnerte.
»Wir müssen Aleksandr finden«,
sagte Hackenholt leise, aber sehr bestimmt. »Und ich bin mir sehr sicher, dass
Sie uns dabei helfen können.«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Wo ist Ihr Sohn, Herr Kusnezow?
Hat er sich bei Freunden versteckt? Hier in Langwasser?« Hackenholts Stimme
wurde mit jedem Wort lauter.
»Ich nicht wissen. Ich wirklich
nicht wissen.«
»Herr Kusnezow, Sie dürfen es nicht
zulassen, dass Ihr Sohn noch weitere Verbrechen begeht. Sie müssen mit uns
reden.«
»Ich …«, er schluckte, »ich aber
doch nichts wissen. Aleksandr haben eigene Freunde. Ich nicht kennen. Zu Hause
in Russland, er gewesen eine liebe Junge. Aber in Kindergarten, er immer
beschimpft von andere Kinder und Aufpasser. Sie nicht mögen ihn. Als er noch
ganz klein, er kommen nach Hause mit blaues Auge und eine andere Mal mit
gebrochenes Arm. Russische Jungen ihn haben verprügelt auf Spielplatz. Sie
wissen, zu Hause man uns schlecht behandelt, weil wir Deutsche. Da ich gesagt,
ist genug. Wir gestellt Antrag und nach viele Probleme, wir dürfen nach
Deutschland in 1990. Aber hier auch nicht besser, hier wir beschimpft, weil wir
Russen. Und Aleksandr in Schule, ihm gehen wieder nicht gut. Plötzlich er
angefangen zurückzuschlagen. Vielleicht es war falsch, aus Heimat wegzugehen.
Sie mir fehlen. Und Aleksandr auch. Er sich nicht mehr erinnern an Probleme
dort. Für ihn, alles gut. Aber er damals ja auch noch kleines Kind. Und jetzt,
er machen uns Vorwürfe, weil wir hierhergekommen. Er haben wenige Freunde. Die
auch kommen aus Russland. Meine Frau, sie alles versucht. Sie mit Aleksandr zu
Sportverein gegangen, immer zu anderes Jugendliche. Bei Boris, unsere andere
Sohn, alles hat geklappt gut, aber nicht bei Aleksandr.« Er schaute Hackenholt
traurig an. »Ich nicht mehr kennen meine Sohn.«
Hackenholt nickte
verständnisvoll. Es war nicht das erste Mal, dass er mit den
Integrationsproblemen von Spätaussiedlern konfrontiert wurde. Die Eltern
wollten nach Deutschland. Mit ihnen gab es zumeist keine Probleme, sie
zeichneten sich durch ihren Fleiß und Gesellschaftssinn aus. Aber ihre Kinder,
die steckten häufig bald in einer Identitätskrise, geschaffen aus der
Ablehnung, die sie erfuhren. Wenn dann auch noch das Streben der Eltern
fehlschlug, ihnen die eigenen Werte zu vermitteln, dann gerieten die jungen
Menschen zusätzlich noch in einen Generationenkonflikt. Und dann war oft alles
zu spät. Die Jugendlichen fanden sich in isolierten Cliquen mit ihresgleichen
zusammen. Ohne Arbeit, ohne Perspektive war eine kriminelle Laufbahn fast schon
vorprogrammiert.
»Wer issnern des dou af den
Foddo, Herr Kusnezow?«, fragte Saskia Baumann plötzlich in die Stille hinein.
Sie deutete auf ein Bild, das an die Pinnwand geheftet war.
Der Mann schaute auf. Ein
Lächeln huschte über sein Gesicht. Für einen Moment schien er seine Sorgen
vergessen zu haben. »Das unsere Sohn Boris und seine Freund Sergej. Mit Familie
wir waren bei Zelten letztes Sommer.«
Baumann nickte und schaute
weiter die Bilder an. »Un des Maadla dou? Is des Ihr Dochder? Däi is fei ådli.«
»Nein, nein, ich nicht haben
eine Tochter«, wehrte Kusnezow lachend ab. Er stand auf, trat neben die Beamtin
und deutete auf die Personen auf dem Bild. »Das meine Frau, und das Sergejs
Schwester Irina und Mutter.«
Neugierig geworden, warum
Baumann so auf den Bildern herumritt, stand nun auch
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