Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
gebührendem Abstand, um sicherzugehen, dass er bestimmt nicht zurückkam. Dann stürzten sie sich wieder auf die Touristen. Mistral stieg in sein Auto. Ohne sich umzudrehen, machte er den Kindern ein Zeichen mit der Hand. »Bis später!«, sollte es bedeuten.
Geduldig ließen Ingrid Sainte-Rose und Roxane Félix die Filme ablaufen, die von den Verkehrsüberwachungskameras aufgenommen worden waren. Um den Chrysler Voyager zu finden, der Sébastiens Motorrad angefahren hatte, mussten sie sich Tausende Bilder anschauen. Ein Team der Verkehrspolizei stand ihnen dabei zur Seite. Einer der Helfer entdeckte einen Wagen, bei dem nur der linke Scheinwerfer funktionierte. Der Film wurde angehalten, das Standbild vergrößert. Es handelte sich tatsächlich um einen Van. Die Beschreibung passte. Mühsam versuchten sie, das Kennzeichen zu lesen, doch das erwies sich als unmöglich. Enttäuscht überprüften sie die Bilder anderer Kameras. Auf einem Film war der Van von hinten zu erkennen. Es handelte sich tatsächlich um einen Chrysler Voyager. Das Nummernschild war nur teilweise lesbar. Doch dafür gab es entsprechende Programme. Sie schöpften wieder neue Hoffnung.
Ein anderes Team telefonierte mit sämtlichen Konzessionären von Chrysler in Paris und Umgebung, um in Erfahrung zu bringen, ob ein einzelner rechter Scheinwerfer verkauft worden war. Beim siebzehnten Anruf wurde man fündig. Das Ersatzteil war bar bezahlt worden; eine Beschreibung des Käufers lag nicht vor. Es war ein ganz normaler Mann, kein Stammkunde. Irgendwelche Besonderheiten? Leider nein. Der Verkäufer war allein im Laden gewesen und konnte seinen Arbeitsplatz nicht verlassen. Hier verlor sich die Spur. Das war zwar entmutigend, aber man würde weitermachen.
Jacky Schneider verspürte eine leichte Unruhe. Sein Blick glitt von Mistral zu Calderone, heftete sich auf Dalmate und verharrte schließlich bei dem jungen Beamten, der mit den Händen auf der Computertastatur darauf wartete, dass Fragen gestellt wurden. Die Bürouhr zeigte 18.40 Uhr. Schneider hatte das Gefühl, vor dem Chef mit dem erschöpften Gesicht und dem Lino-Ventura-Verschnitt auf der Hut sein zu müssen. Der große Trauerkloß, wie er Dalmate insgeheim getauft hatte, schien die Fragen der beiden anderen nur abzunicken und stellte vermutlich keine Gefahr dar.
»Sie haben uns klar zu verstehen gegeben, dass Ihre Beziehungen zu Lora Dimitrova rein beruflicher Natur waren, Monsieur Schneider. Wir würden uns gern intensiver mit diesem beruflichen Aspekt beschäftigen.«
Schneider missfiel der schneidende Ton des Chefs. Es sah ganz danach aus, als hegten die Kriminalbeamten einen Verdacht gegen ihn. Eine solche Situation war gefährlich; wie leicht konnte es geschehen, dass eine Äußerung missverstanden wurde!
»Ich habe doch diesem Herrn dort bereits alles erzählt«, sagte Schneider und wies auf Dalmate.
»Das ist richtig, aber inzwischen haben sich neue Aspekte ergeben, zu denen wir Näheres wissen wollen. Sie behaupten also, die Damen Norman und Colomar nicht zu kennen.«
»Allerdings. Ich kenne nicht einmal die Namen. Es geschah häufig, dass ich die Namen ihrer Interviewpartner nicht erfuhr, auch wenn ich sie filmen sollte.«
»Gut. Versuchen wir es anders herum. Was waren die letzten Themen, bei denen Sie zusammengearbeitet haben? Und welche neuen Themen standen für die Zukunft an?«
»In unserem letzten Dokumentarfilm ging es um die Überbelegung von Gefängnissen. Die Ausstrahlung wurde vor etwa einem Monat bis September zurückgestellt.«
»Und worum ging es bei dem geheimnisvollen Thema, für das Sie mit ihr verabredet waren?«
»Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, dass ich das nicht weiß. In dieser Hinsicht war Lora nicht nur sehr zurückhaltend, sondern sogar fast abergläubisch. Sie rückte mit ihren Projekten erst heraus, wenn alles geregelt war. Wenn man sich erst einmal auf diese Arbeitsweise eingelassen hatte, gab es keinerlei Probleme damit.«
»Weitere Pläne?«
»Wir wollten eine Sendung über Frauen um die vierzig machen, die ihr Privatleben für den Beruf geopfert haben – und zwar Frauen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen.«
»Um wen handelte es sich bei diesen Frauen? Haben Sie sie kennengelernt?«
»Nein. Lora kümmerte sich immer zunächst um das Drehbuch, die Fragen, die sie stellen wollte, und die möglichen Drehorte. Anschließend besprachen wir die Machbarkeit und so weiter.«
»Und?«
»Nichts. Ich weiß, dass sie sich ein paar
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