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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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viele Treppen, so ganz ohne Aufzug. Und das bei dieser Hitze!«
    Der junge Polizist gestattete sich diese scherzhafte Bemerkung, weil eine Beschwerde wegen Lärmbelästigung ja wirklich eine Bagatelle war. Doch seine Kollegin, die sich immer noch unbehaglich fühlte, verzog kaum den Mund.
    »Telefon?«
    Olivier Émery überlegte blitzschnell. Heutzutage besaß jeder ein Telefon. Er wollte nicht auffällig wirken, aber seine Handynummer keinesfalls preisgeben. Zwar benutzte er das Handy nur in absoluten Notfällen und scheute sich sogar, es aufzuladen, aber trotzdem schien ihm Vorsicht geboten.
    »Ich habe kein Telefon«, erklärte er. »Ich weiß, das klingt merkwürdig in der heutigen Zeit – aber wie hat man es eigentlich früher gemacht? Damals ging es doch auch ganz gut ohne. Ich finde, ein Handy ist schlimmer als eine Hundeleine.«
    »Darüber kann man geteilter Meinung sein. Also, ich könnte nicht mehr darauf verzichten ... Beruf? Wissen Sie, diese Fragen muss ich Ihnen stellen, damit alles seine Richtigkeit hat.«
    »Natürlich weiß ich das. Im Übrigen sind wir Kollegen – ich bin ebenfalls bei der Polizei. Das ist auch der Grund, warum ich kein Telefon besitze; auf diese Weise bin ich nicht ständig erreichbar. Wenn ich außer der Reihe in meiner Dienststelle erscheinen soll, müssen die Kollegen mich holen. Und wenn ich dann nicht da bin, haben sie eben Pech gehabt.«
    Mit einer geübten Geste griff Émery zu einem Kartenetui mit Gebrauchsspuren und zeigte einen Dienstausweis mit der Aufschrift »Polizei«. Die beiden jungen Polizisten starrten ihn verblüfft an. Er war zufrieden mit der Wirkung, bereute aber sofort, was er getan hatte. Es war wie beim Kartenspiel: Er hatte ein Ass ausgespielt, dafür aber nur eine Zahl bekommen.
    Der Trumpf fiel zu früh und war zu hoch. Immer noch entdeckte er bei sich diese Lust, haarscharf an der Gefahr vorbeizuschrammen, und spielte mit der eigenen Angst. Jedenfalls hatte er diesen Zug nicht richtig berechnet.

21
    F REITAG , 15. A UGUST 2003
    Um sieben Uhr morgens entriegelte der Wachmann der Pariser Kriminalpolizei die Sicherheitsschleuse, ließ Vincent Calderone ein und begrüßte ihn. Calderone begann seinen morgendlichen Rundgang bei der Einsatzleitung. Er trank einen Kaffee mit dem Team, das gerade seine zwölfstündige Bereitschaft aufnahm, und las die Berichte der nächtlichen Einsätze. Anschließend ging er in sein Büro und fütterte den Goldfisch.
    »Heute ist jemand noch früher da als du«, hatte ihm ein Kollege von der Einsatzleitung mitgeteilt.
    »Wer? Jemand von der Kripo?«
    »Ja, der neue Kommissar – wie hieß er noch gleich? Dalmate! Mann, der sieht ja nicht gerade lebenslustig aus. Er war schon um halb sieben im Haus und hat bei der Begrüßung kaum die Zähne auseinandergekriegt.«
    Calderone zuckte zwar die Schultern, war aber dennoch neugierig, was den Kollegen bewog, so früh zur Arbeit zu erscheinen. Nachdem er seinen Fisch gefüttert hatte, ging er zu Dalmates Büro.
    Der Kommissar saß an seinem Schreibtisch und prüfte die detaillierten Mobilfunkrechnungen von Lora Dimitrova, die ausgebreitet vor ihm lagen. Als Calderone sein Büro betrat, wandte er kaum den Kopf.
    »Bist du heute Morgen aus dem Bett gefallen?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich stehe schon seit Jahren jeden Morgen um fünf auf, und zwar unabhängig davon, wann ich abends ins Bett komme. Die Hitze macht mir ziemlich zu schaffen, deshalb komme ich lieber früh, wenn es noch ruhig ist, und befasse mich mit den Dingen, die mir noch nicht so vertraut sind. In ein paar Stunden ist es erstens noch viel wärmer, und zweitens klingelt ständig das Telefon, sodass man sich nicht fünf Minuten am Stück konzentrieren kann.«
    »Hast du denn schon interessante Hinweise in den Anruflisten gefunden?«
    »Noch nicht. Ich glaube, ich muss noch mehr ins Detail gehen. Sobald ich etwas entdecke, informiere ich dich. Diese E-Mail-Panne kam leider zum schlechtesten Zeitpunkt. Es ist ganz schön mühsam, das alles hier von Hand durchzuarbeiten.«
    »Du hättest es Farias überlassen sollen. Er hat Übung in diesen Dingen und hätte die Liste bestimmt doppelt so schnell durchgesehen.«
    »Mag schon sein, aber ich will schließlich wissen, wie das hier läuft.«
    Halb zehn. Ludovic Mistral blieb auf seinem Weg in die Innenstadt von Paris unterhalb des Tempolimits. Er schätzte, dass er eine Stunde zu spät dran war. Der Leiter der Bereitschaft dürfte inzwischen seinen Bericht zur Lage in der

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