Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
Mal getroffen haben und dass sie ebenfalls im 6. Arrondissement wohnten. Allerdings schien in der Zwischenzeit das ›Geheimprojekt‹ wichtiger geworden zu sein, denn sie hat sich immer stärker damit beschäftigt und unsere Verabredung zum Dreh mit den Frauen auf die lange Bank geschoben.«
»Um wie viele Frauen handelte es sich?«
»Vielleicht drei. Ich weiß von zweien, denen wir etwa zehn Tage lang mit der Kamera folgen wollten. Manchmal meinte Lora scherzhaft, sie könne sich vielleicht als dritte Frau in die Reportage einschmuggeln.«
»Erinnern Sie sich an die Daten dieser Treffen?«
Jacky Schneider konsultierte seinen PDA.
»Es muss etwa Mitte Juni gewesen sein. Ich hätte am 19. Juni einen Termin mit Lora und den Kandidatinnen gehabt, den Lora allerdings am Vorabend abgesagt hat.«
»Gut. Sind Sie einverstanden, dass wir Ihnen eine DNA-Probe entnehmen?«
»Natürlich. Ich habe nichts zu verbergen.«
Calderone hatte den Fotografen vernommen. Von Zeit zu Zeit warf er einen prüfenden Blick auf Dalmate, der sich damit begnügte, dann und wann diskret zu nicken. Mistral saß auf einer Ecke des Schreibtisches. Er schwieg während der gesamten Befragung. Calderones Vorgehensweise fand seine uneingeschränkte Zustimmung.
Nachdem Jacky Schneider gegangen war, trafen sich die drei Kommissare in Mistrals Büro und leerten mehrere Dosen Mineralwasser und Cola. Der Ventilator drehte sich auf höchster Stufe. Es war immer noch extrem heiß.
Mistral fasste das Ergebnis in bitterem Ton zusammen.
»Meiner Meinung nach passen Norman und Colomar genau ins Schema. Sie waren fast vierzig, völlig unterschiedliche Persönlichkeiten und hatten eine interessante Arbeit, aber so gut wie kein Familienleben. Je weiter wir in diesem Fall kommen, desto unergründlicher wird er. Auf welche Weise hat der Mörder von ihnen erfahren? Wohnte er im gleichen Viertel? Wir sind nicht einen Zentimeter weitergekommen.«
»Aber vielleicht gibt es eine Spur zu diesen Brials im Département Seine-et-Marne«, wandte Calderone bewusst optimistisch ein. »Ich glaube nicht an Zufälle.«
»Keine Sorge, die habe ich nicht vergessen«, erwiderte Mistral. »Aber wir haben heute den 15. August – also Feiertag – und obendrein ist Freitag. Also ein verlängertes Wochenende, wo ganz Frankreich verreist ist. Wir brauchen gar nicht erst zu versuchen, irgendwen zu kontaktieren.«
»Vielleicht sollten wir nächste Woche mal hinfahren«, schlug Calderone vor.
»Auf jeden Fall. Allerdings müssen wir vorher alle Nummern identifizieren, die Dimitrova in dieser Gegend angerufen hat, und die Personen anhand unserer Karteien überprüfen. Und vor allen Dingen: Wer ist diese Madame Brial?«
»Ich kümmere mich darum.«
»Hat sich die Bank der Dimitrova inzwischen gemeldet, Paul? Wissen wir, ob ihre Kontokarte benutzt wurde?«
»Bisher noch nicht. Ich habe bereits angerufen, um ein wenig Dampf zu machen. Aber Sie wissen ja, wie es ist: Jeder redet sich auf die Ferienzeit und die eingeschränkte Personaldecke hinaus.«
»Hätte ich mir fast denken können.«
22
S AMSTAG , 16. A UGUST , UND S ONNTAG , 17. A UGUST 2003
Olivier Émery war seit vier Uhr morgens wach. Er wusste, dass er bei den beiden jungen Polizisten mutwillig mit dem Feuer gespielt hatte, und dachte darüber nach. So war er nun einmal – eigentlich schon immer. Sein Leben in Gefahr zu bringen verschaffte ihm einen Kick, wie es keine Droge fertigbrachte. Und mit Dope kannte er sich aus.
Eine Stunde lang hatte er sich geradezu ungestüm seiner Morgengymnastik gewidmet, um sich einigermaßen zu beruhigen. Auf Seilspringen hatte er allerdings verzichtet.
Um sechs Uhr hatte er sich aus dem Fenster gelehnt und Ausschau nach Polizeiautos gehalten, denn ab dieser Zeit durften Verhaftungen vorgenommen werden. Doch die Straße blieb ruhig.
Auch um sieben Uhr noch. Er duschte hastig und nahm wie üblich ein paar hart gekochte Eier und einen Liter Sojamilch zu sich. Die Nasenlöcher hatte er sich aus Angst vor Nasenbluten mit Fetzen von Papiertaschentüchern zugestopft.
Um acht Uhr dachte er, dass es nun Zeit wäre, die Wohnung zu verlassen. Die Straße war immer noch leer. Beruhigt stieg er in sein Auto und schickte sich an, die Zündung zu betätigen, besann sich aber dann und verbrachte einen guten Teil des Tages damit, den Hauseingang zu beobachten.
Um 18.00 Uhr verließ er langsam seine Parklücke und fuhr aufs Geratewohl los. Trotz allem war er ein wenig überrascht, nicht die
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