Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
Nasszelle.
Das Zimmer, das sie sich mit weiteren vier Landsleuten teilten, war so klein und überfüllt, dass sie ihre Sackkarren dort nicht unterbringen konnten. Ohne Bewachung aber konnten sie die Geräte, die ihnen das Überleben sicherten, keinesfalls im Hof stehen lassen! Wie die anderen Pakistani schlossen sie sie sorgfältig mit einem Motorradschloss an ein Gitter an. Jeden Abend montierten sie überdies die Räder ab, die sonst nur allzu leicht gestohlen worden wären. Ehe sie sich schlafen legten, verpackten sie das Räderpaar in einer Plastiktüte, die sie unter ihrer Matratze verstauten.
An diesem Abend ging es Zahid und Hafiz richtig gut. Sie hatten endlich einmal Geld in der Tasche. Ein pakistanischer Händler, der eine Zulassung besaß und für den sie häufig große Kleiderkartons transportierten, schuldete ihnen noch für etwa dreißig Tage Lohn. Der Mann ließ sich mit der Bezahlung gern Zeit, weil er wusste, dass die Illegalen ihn nie und nimmer bei der Polizei verpfeifen würden. Eines Abends, als die beiden Pakistani ihn besonders bedrängt hatten, bot er ihnen einen Teil ihres Lohns und jedem von ihnen ein Handy an. Zunächst hatten die beiden jungen Männer abgelehnt und ihren gesamten Lohn verlangt; doch als ihnen klar wurde, dass sie mit den Telefonen in ihre Heimat anrufen konnten, hatten sie schließlich akzeptiert. Die beiden Handys konnten ihnen auch Geld einbringen, wenn sie sich von ihren Landsleuten für Anrufe bezahlen ließen. In den letzten beiden Tagen hatten sie auf diese Weise mehr als hundert Euro verdient, ohne sich allerdings die Frage zu stellen, wie lange sie von diesem Glücksfall noch profitieren konnten.
José Farias und Roxane Félix saßen im Büro von Vincent Calderone.
»Die beiden Mobiltelefone der Dimitrova sind ständig in Betrieb«, berichtete Roxane, »und zwar hauptsächlich zwischen zwei Uhr nachts und acht Uhr morgens. Sie sind in einer Location Area im 10. Arrondissement eingebucht und scheinen sich nicht von der Stelle zu bewegen. In der restlichen Zeit bleiben sie übrigens abgeschaltet.«
»Leute, die nicht schlafen können?«, fragte Calderone und sah Farias und Félix abwechselnd an. Roxane blätterte in ihren Aufzeichnungen und fuhr fort:
»Nein, es hat mit der Zeitverschiebung zu tun. Die Gespräche gehen ausschließlich nach Pakistan, und zwar in ein Dorf bei Islamabad. Es gibt genau acht Nummern, die angerufen werden.«
»Pakistan? Da müssen wir vorsichtig sein«, meinte Calderone nachdenklich. »Es könnte sich vielleicht um Terroristen handeln. Allerdings glaube ich kaum, dass Terroristen Mobiltelefone benutzen, die einem Mordopfer gehört haben und auffindbar sind. Wahrscheinlicher ist, dass jemand die beiden Telefone an irgendwelche Pakistani verkauft hat, die jetzt Reibach mit Gesprächen in die Heimat machen. Was denkst du, José?«
»Das Gleiche wie du. Eher die Business-Variante, zumal diese Art von Geschäft in diesen Kreisen sehr verbreitet ist. Die Leute sind weit weg von zu Hause, haben Heimweh, aber meistens nicht genügend Geld, um anzurufen. Sobald es irgendwie möglich ist, nehmen sie die Gelegenheit wahr. Sehr verständlich, wie ich finde.«
»Ich auch. Trotzdem müssen wir sie überprüfen, um wenigstens zu erfahren, wie sie an die Telefone gekommen sind. Wann können wir loslegen?«
»Ich habe die Techniker schon informiert. Sobald diese Nacht telefoniert wird, sollten wir sie eigentlich erwischen können.«
»Okay. José, du bereitest die Überprüfung vor. Wenn der Chef aus dem Krankenhaus zurück ist, werde ich ihn informieren – doch das hat Zeit.«
Dalmate parkte den Wagen im Schatten vor dem Haupteingang des Krankenhauses. Bereits am Empfang spürten die beiden Polizisten die allgemeine Anspannung. Das Personal wurde belagert von Leuten, die nach Freunden oder Verwandten suchten, welche als Opfer der Hitzewelle in ein Krankenhaus gebracht worden waren. Doch sie wussten nicht in welches.
Ganz offensichtlich war es nicht der erste Tag, an dem es hier drunter und drüber ging. Die Nerven lagen bei allen Beteiligten blank, was man an den gereizten Stimmen merkte. Im Eingangsbereich herrschte ein reges Kommen und Gehen. Verblüfft beobachteten Mistral und Dalmate die Hektik.
»Im Radio hat man ja oft gehört, dass die Krankenhäuser übervoll sind, aber das hier muss man erst einmal selbst sehen, um es zu glauben.«
»Ich fürchte, in der Notaufnahme sieht es noch schlimmer aus.«
Ein Paar klammerte sich am
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