Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
entlassen?«
»Spätestens in einem Monat. Vor allem, wenn Ihre Ermittlungen zu einem anderen Täter führen. Haben Sie schon einen Untersuchungsrichter?«
»Ja. Sein Name ist Christian Baudouin. Ich werde ihn bitten, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.«
Sie wechselten noch einige Worte, dann legte Mistral auf. Fragend blickte er Calderone an.
»Wenn die Presse Wind von der Sache bekommt, wird es richtig kompliziert.«
»Wissen Sie, was ich merkwürdig finde? Dass ein Journalist sich nicht erst mit uns in Verbindung setzt, sondern gleich den Anwalt anruft. Ich habe den Eindruck, wir kommen keinen Schritt weiter. Alles geschieht über unseren Kopf hinweg. Wir haben nichts Verwertbares in der Hand.«
»Vielleicht doch. Wir haben gerade eine Kleinigkeit entdeckt.«
Calderone berichtete von der Auffindung der beiden Mobiltelefone und der für die Nacht vorgesehenen Aktion. Mistral schöpfte wieder ein wenig Hoffnung. Er ließ sich genau darlegen, was das Ermittlerteam vorhatte, und billigte den Plan.
Als Mistral gegen 20.00 Uhr zu Balmes unterwegs war, traf er Dalmate und Farias im Flur. Dalmate verschließt sich immer mehr , dachte er. Aber an den Ermittlungen zeigt er Interesse .
Dalmate sprach mit Farias, ohne ihn anzusehen. Seine Stimme war so ausdruckslos wie immer, ließ jedoch eine gewisse Autorität spüren.
»Abgesehen von den Anrufen nach Pakistan – hast du noch andere Informationen über die Handys der Dimitrova herausgefunden?«
»Bisher noch nicht. Die Identifizierung der Rufnummern in Pakistan ist durch geografische Ortung möglich gewesen.«
»Wann bekommen wir die Rufnummernliste der letzten Monate?«
»Morgen früh. Ich hole sie ab, das ist alles schon arrangiert.«
»Bring sie bitte sofort zu mir.«
»Ach ja? Ich dachte, ich solle mich darum kümmern.«
»Ich habe mich anders entschieden. Ich kümmere mich selbst darum, um ein wenig Übung zu bekommen.«
»Aber das ist doch keine Arbeit für einen Teamchef, Paul!«
»Diese Entscheidung darfst du getrost mir überlassen, José.«
»Wie du meinst.«
Mistral gab Balmes einen kompletten Überblick über den vergangenen Tag und verwies auf die möglichen Festnahmen der kommenden Nacht. Balmes antwortete in seiner üblichen, bildreichen Sprache und bat Mistral, ihn über eventuelle Resultate zu informieren.
Mistral fuhr mit dem Vorsatz nach Hause, sich ein wenig auszuruhen, ehe er sich um halb eins vor dem Präsidium mit dem Einsatzteam traf.
Während des Abendessens erzählte er Clara von seinem Arbeitstag. Den nächtlichen Einsatz erwähnte er nur kurz. Clara ließ langsam das Besteck sinken.
»Heißt das, dass du mit hinausfahren willst?«
»Ja natürlich. Vor allem in einem Fall wie diesem.«
»Ist es gefährlich?«
»Absolut nicht. Außerdem ist das ganze Team dabei. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Selbstverständlich mache ich mir Sorgen, und du weißt auch genau, warum. Einmal genügt! Außerdem bist so ausgelaugt, dass du es nicht einmal selbst bemerkst.«
Ludovic ging nicht auf Claras letzte Bemerkung ein, sondern begann, über allerlei Kleinigkeiten zu reden, ohne dass sich jedoch die Spannung zwischen ihnen löste. Clara wich nicht von seiner Seite, bis er wieder in die Stadt fuhr.
»Ruf mich bitte an, wenn es vorbei ist. Du weckst mich sicher nicht – ich kann ganz bestimmt nicht schlafen.«
Gegen ein Uhr morgens kehrte der Mann in seine Wohnung zurück. Müdigkeit, Angst und Stress machten ihm zu schaffen. Die letzten Gegenstände, die den Opfern gehört hatten, ruhten jetzt auf dem Grund der Seine. Um allen Eventualitäten vorzubeugen, hatte er alles mit einem Hammer zerstört und die Tüten mit Sand gefüllt, ehe er sie in den Fluss warf. Vorher und nachher hatte er alles in allem etwa zehn Bier getrunken, doch er war einigermaßen klar im Kopf geblieben.
Nun saß er auf einem Stuhl, den Kopf in die Hände gestützt, und überlegte.
Er musste darauf vorbereitet sein, jederzeit fliehen zu können. Schließlich stand er auf und öffnete seinen Schrank. Auf einer Ablage etwa in Augenhöhe befand sich zwischen zwei Stapeln perfekt gebügelter hellblauer Hemden eine flache Schachtel. Mit einer knappen Bewegung öffnete er den Deckel und entnahm ihr ein Rasiermesser zum Aufklappen, dessen scharf geschliffene Klinge im Licht schimmerte. Der Mann freute sich, seinen alten Freund wiederzusehen. Der elfenbeinerne Griff des Messers hatte ein kleines Loch, durch das eine feine Lederschnur lief. Der Mann legte sich
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