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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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auszumachen. Ich stand mit dem Kaffeebecher in der Hand auf dem Balkon und wunderte mich noch ein wenig über meinen seit der Akupunktur beschwerdefreien Kopf, als ich Mirellas Jetta in voller Fahrt in meine Straße einbiegen sah. Ich runzelte die Stirn.
    Mirella morgens um halb sieben bei mir? Das konnte nicht sein. Wir waren nicht verabredet. Ich war davon ausgegangen, sie nachher in der Akademie zu treffen. Es gab noch einiges zu tun – vor allem die Überprüfung dieses Wachmanns.
    Der Jetta stoppte direkt vor dem Haus und im nächsten Moment ging der Warnblinker los. Ich hielt den Atem an. Sie würde doch nicht? Nein, das würde sie nicht, nicht morgens um –
    Wildes Hupen begann. Dreimal kurz, zweimal lang, dreimal kurz. Und wieder von vorne. Die »Jakob, komm in die Puschen-Fanfare«.
    Fluchend hastete ich in die Wohnung zurück, schleuderte den Becher ins Spülbecken, wobei der Kaffeerest sich in eindrucksvollen Spritzern über die Fliesen verteilte, und schlüpfte in Windeseile in meine Schuhe. Gleichzeitig merkte ich, wie ich eine Stinkwut auf Mirella bekam. Hatte die noch alle? Es war zu früh, um sich hier derart aufzuführen. Selbst in Berlin war das rücksichtslos, verdammt!
    Grollend schnappte ich mir den Schlüssel, warf den Mantel über und stolperte die Treppe hinunter. Mirella würde eine verdammt gute Erklärung brauchen, weshalb sie so früh dran war. Und eine noch bessere Ausrede, wenn sie mir ein gemeinsames Essen erneut abschlagen wollte!
    *
    »Is ja gut, du brauchst nicht den ganzen Kiez aufzuwecken!« Mit finsterer Miene kletterte ich zu Mirella ins Auto und schlug die Tür hinter mir zu.
    Mirella nahm die Hand von der Hupe und grinste mich an. »Guten Morgen. Frisch und munter?«
    »Geht so.« Ich rieb mir die Augen. »Und, weshalb der frühe Ausritt? Hast du Sehnsucht nach deinem Exmann?«
    Mirella schnaubte leise, aber ihr Gesicht blieb entspannt. »Weit gefehlt. Ich habe heute früh mit der Klinik in Weißensee telefoniert und mich als Nichte des Wachmanns ausgegeben. Die sagten mir, es stünde nicht besonders gut um ihn, wollten aber am Telefon keine weiteren Angaben machen. Deshalb nutzen wir die Chance, ihm auf den Zahn zu fühlen, solange es noch geht.«
    »Und das hättest du nicht alleine machen können?«
    »Nein. Ich wusste, dass du wach bist.« Sie beugte sich vor und kramte im Handschuhfach, bis sie einen Zettel fand. »Hier«, sagte sie und drückte ihn mir in die Hand. »Das sind die Infos, die wir von ihm haben.«
    »Richard Wilms«, las ich vor, »Geboren 1959 in der Steiermark, mit 11 Jahren Umzug mit den Eltern nach Ostberlin, Wachmann in den Beelitz Heilstätten seit Januar 1990, zuvor jahrelanger Aufenthalt in – Kuba?« Ich hob die Brauen. »Interessant. So klein ist die Welt.«
    »Jetzt tu nicht so, als wäre das im Osten so ungewöhnlich gewesen. Der Mann hatte da eben zu tun«, sagte Mirella ungeduldig und lenkte den Wagen an einem Transporter der Müllabfuhr vorbei.
    »Und wieso sind die nach Ostberlin gezogen? Aus der Steiermark?«
    Mirella zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich hatten seine Eltern den Traum, in einem sozialistischen Staat ein besseres Leben führen zu können.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte ich. »Und was ist mit Kuba? Was hat er da gemacht? Cuba Libre gemixt?«
    »Darüber gab‘s leider nichts in den Akten. Aber das wird er uns sicher selbst sagen können. Zumindest hoffe ich das.«
    »Ich hasse Cuba Libre.« Dann fiel mein Blick auf das Armaturenbrett und ich stutzte. »Sag mal, ist das die Blume von gestern? Diese Lilie?«
    Mirella folgte meinem Blick. »Ja, die aus dem Kel –« Sie verstummte mitten im Satz und trat abrupt auf die Bremse. Quietschend kam der kleine Jetta zum Stehen. Hinter uns fuhr fast ein anderes Auto auf. Wütendes Gehupe folgte, doch Mirella beachtete es gar nicht. Ihr Blick hing fasziniert an der Blume. Oder besser an dem, was von ihr übrig war. Ein Häufchen Staub und, nur mit viel Fantasie zu erkennen, die Reste von Kelchblatt und Blütenstempel.
    »Das gibt's ja gar nicht«, stieß Mirella hervor.
    Ich nahm die brüchigen Überreste vorsichtig hoch, doch sie zerfielen zwischen meinen Fingerspitzen sofort zu Staub. »Wow. Ich weiß, dass Blumen fragile Geschöpfe sind und die Luft hier in deinem Jetta mies. Aber so schnell läuft ein biologischer Verwesungsprozess eigentlich nicht ab, oder?«
    Mirella schüttelte irritiert den Kopf. »Nein. Wirklich nicht. Ist mir völlig unerklärlich.«
    Unsere Blicke

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