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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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trafen sich und ich merkte, dass Mirella ebenso wie ich krampfhaft versuchte, eine Erklärung für diesen seltsamen Vorgang zu finden.
    »Vielleicht irgendein merkwürdiges Pestizid?«, sagte ich schließlich halbherzig. »Ich nehme den Staub mit ins Labor und lasse eine Analyse machen. Dann sehen wir ja, was dabei herauskommt.«
    Sorgfältig schob ich die Reste der Blüte in einen Briefumschlag, der sich in Mirellas Handschuhfach fand, und steckte ihn ein. Dann setzten wir die Fahrt fort. Doch in der ganzen Zeit begleitete uns ein leichtes Gefühl der Beklemmung. Dinge, die man nicht erklären kann, sind faszinierend. Und auch für Mitarbeiter der Akademie immer wieder unheimlich.
    *
    »Richard Wilms?«
    Der Mann schlug die Augen auf. Er hatte nicht bemerkt, dass wir zu ihm ins Zimmer gekommen waren – oder aber er hatte nur so getan. Als er uns neben seinem Bett stehen sah, musterte er uns flüchtig und zog dann missmutig die Brauen zusammen. »Sie gehören nicht zum Personal.«
    Es war eine Feststellung, die zugleich die Frage implizierte, was wir in seinem Zimmer zu suchen hatten. Ich musterte Richard Wilms unauffällig. Seine Stimme war leise, er wirkte schwach und eingefallen und es fiel mir schwer, sein Alter zu schätzen. Er hätte um die 50 Jahre alt sein können, oder auch schon Mitte 60. Sein Haar war dunkel, hier und da von einigen grauen Strähnen durchzogen, und sein Gesicht wirkte trotz seines offensichtlich schlechten Gesundheitszustandes relativ jung. Seine Hände wurden von einem leichten Tremor geschüttelt, der unwillkürlich zu kommen und zu gehen schien. Als ich seine Hände genauer betrachtete, fiel mir eine starke Verhornung an den Fingern auf, die mich irritierte. So etwas hätte ich bei jemandem erwartet, der viel mit den Händen arbeitete. Bei einem Maurer zum Beispiel oder einem Schreiner. Nicht aber bei einem Mitarbeiter von Dragonfight Security.
    »Sie sind also Richard Wilms?«, fragte Mirella lächelnd und streckte die Hand zur Begrüßung aus. »Ich bin Mirella Mistrani, das hier ist mein Kollege Jakob Roth. Haben Sie einen Moment Zeit? Wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen.«
    Der Mann ignorierte ihre ausgestreckte Hand. Sein Blick wanderte zu mir hinüber. »Jakob Roth.« Seine Stimme war so leise, dass ich nicht sicher war, ob er tatsächlich gesprochen hatte. Sein Blick verharrte auf mir und für einen Moment spürte ich die Intensität seiner Aufmerksamkeit wie einen elektrischen Strom. Dann wandte er den Kopf ab und blickte zum Fenster hinaus. »Fragen also … und die wären?«
    »Uns interessiert Ihre Tätigkeit als Wachmann in den Beelitz Heilstätten«, sagte ich und stellte mich ans Fußende des Bettes. »Die Dark-Moon-Parties. Was können Sie uns darüber sagen?«
    »Sie sind nicht von der Polizei, oder?«, sagte Wilms leise.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das nicht. Aber so ähnlich.«
    »So ähnlich reicht nicht. Informationen bekommt die Polizei. Nur die Polizei. Die war bereits hier und ich habe alles gesagt, was ich dazu sagen kann. Aber mit Sicherheit rede ich nicht mit zwei dahergelaufenen Möchtegern-Detektiven.« Wilms musterte Mirella und mich prüfend. »Sind Sie von der Presse?«
    Mirella lachte leise. »Nein, keine Sorge. Wirklich nicht.« Dann wurde sie ernst. »Herr Wilms, die Polizei wird Ihnen erklärt haben, dass in den Heilstätten die Leiche einer jungen Frau gefunden wurde. Clara von Rieckhofen. Kennen Sie sie?«
    Ohne Vorwarnung zückte Mirella ein Foto der Leiche und hielt es Wilms direkt vor die Nase. Der Mann zog scharf den Atem ein und ich sah, dass sein Mundwinkel kurz zuckte. Ein schmerzlicher Ausdruck huschte für Sekundenbruchteile über sein Gesicht, dann wandte er den Kopf erneut ab. »Ich wiederhole mich ungern. Ich habe dazu nichts zu sagen.«
    »Und was ist mit Manuel Landinger? Sagt Ihnen dieser Name etwas?«, hakte Mirella nach.
    Wilms schwieg.
    Ich räusperte mich. »Wir wissen aus verlässlicher Quelle, dass Sie Kontakt zu ihm und anderen Jugendlichen hatten. Und wir wissen, dass Sie ganz offensichtlich Ihre Grenzen überschritten haben. Sie haben gegen die Auflagen Ihres Arbeitgebers verstoßen, indem Sie die Jugendlichen auf das Gelände gelassen haben.«
    Wilms blickte mich mit müden Augen an. »Was wissen Sie denn schon davon, wie man Grenzen überschreitet, junger Mann?« Er verzog die schmalen Lippen zur Andeutung eines Lächelns. »Sie wollen mir etwas anhängen? Dann viel Vergnügen. Allerdings müssen Sie sich

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