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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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das mich ängstigte oder sich in irgendeiner Weise unangenehm anfühlte. Im Gegenteil, es war vielmehr eine stille Zuneigung, die ich so von Männern nicht kannte. Es fühlte sich an, als flirte er mit mir, auf eine aufmerksame und sehr zurückhaltende Art.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich spürte Olivers Hand auf meinem Arm und erhob mich ruckartig. »Klar. Alles bestens.«
    Ich sah, wie sich der Ausdruck in seinen Augen schlagartig veränderte. Er ging auf Abstand. Ich schluckte schwer und suchte nach Worten, die Grenzen zogen, ohne zu verletzen. Doch schon war der merkwürdige Moment vorüber.
    »Wir sollten schleunigst sehen, ob hier etwas zu holen ist«, sagte Oliver mit undurchsichtiger Miene. »Bevor wir noch erwischt werden. So ganz alleine im Halbdunkel.«
    Ich musterte Oliver prüfend, doch er hatte sich schon abgewandt und machte sich daran, das Schloss des Wandschranks zu knacken. Ich presste die Lippen aufeinander, um ein Fluchen zu unterdrücken, und widmete mich dann den Unterlagen in der Schreibtischschublade. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen. Etwas klären zu müssen. Doch ich fand nicht die richtigen Worte. Alles, was ich hätte sagen können, erschien irgendwie falsch und unpassend. Also schwieg ich. Mit dem sicheren Gefühl, dass dieses Schweigen nur aufschob, was zwischen uns hing.
    Einige Zeit später ließ ich entmutigt den letzten Aktenordner sinken. »Nichts. Absolut nichts.«
    Wir hatten jedes einzelne Schriftstück durchkämmt, doch nirgendwo fand sich irgendetwas, das auch nur im Entferntesten nach krummen Machenschaften aussah.
    »War eigentlich zu erwarten, oder?«, sagte Oliver und streckte sich. »Ich meine – wenn ich Dreck am Stecken hätte, dann würde ich belastendes Material auch nicht gerade in meinem Büro aufbewahren. Selbst wenn es in der Inneren Abteilung liegt.«
    »Stimmt, aber er hat keinen Grund anzunehmen, dass ihn jemand verdächtigt«, warf ich ein. »Allerdings gebe ich dir recht. Ich würde brisante Infos auch nicht offen herumliegen lassen. Egal wo. Es sei denn, es wäre ein gesicherter Ort, zu dem nur ich Zugang habe …«
    Ich richtete den Blick auf das Laptop, das wie ein Stillleben auf dem Schreibtisch thronte. »Bleibt der Rechner. Und das hätte ich uns gerne erspart, um ehrlich zu sein.«
    Oliver hob neugierig die Brauen. »Ach ja? Wieso? Das größte Problem dürfte die Verschlüsselung durch ein Passwort sein. Und Passwörter lassen sich knacken.«
    Unter meinem prüfenden Blick hob er abwehrend die Handflächen. »Nicht, dass ich Ahnung davon hätte, ich meinte nur …«
    Ich seufzte leise. »Tja. Passwort. Wenn es nur das wäre.«
    Alle Rechner der Akademie waren über drahtlose Verbindungen mit den Sicherheitstüren gekoppelt. Und die falsche Passworteingabe löste spätestens beim dritten fehlgeschlagenen Versuch nicht nur den Alarm aus, sondern auch das automatische Verschließen aller Türen und Fenster in der Nähe des Rechners.
    Oliver lachte trocken auf, als ich ihm die Fakten erklärte. »Ihr habt wirklich einen Vollschlag, oder? Was denkt ihr, wer ihr seid? Die CIA?!«
    Ich zog es vor zu schweigen. Was hätte es gebracht, Oliver mitzuteilen, dass die CIA genau genommen ein Witz gegen die Akademie war? Unsere Vernetzungen übertrafen alle anderen Systeme, um unsere Mitarbeiter prügelten sich Geheimdienste aus aller Herren Länder und die Informationen, die die Akademie einholte und weitergab, waren nicht selten hochbrisant. Ein Grund mehr, sich nicht bei einem Einbruch in der Inneren Abteilung erwischen zu lassen. Aber das musste ich Oliver ja nicht unbedingt jetzt auf die Nase binden …
    »Was soll‘s, wir haben ohnehin keine Wahl. Zumindest nicht, wenn wir herausfinden wollen, in was Ernesto da mit drin hängt. Denn dass er in irgendwas drin hängt, steht außer Frage.« Ich trat an den Schreibtisch und klappte entschlossen den Laptop auf. Ein feines Sirren erfüllte den Raum, als der Rechner zu laden begann. Der Bildschirm flackerte hell auf und tauchte Oliver und mich in fahlkünstliches Licht. Mein Herz begann beim Anblick des Passwortfensters schneller zu schlagen.
    Das Feld mit dem blinkenden Cursor wirkte wie ein hämisches Kichern. Ich konnte nur hoffen, dass wir zuletzt lachen würden.
    »Na dann wollen wir mal«, sagte ich und ließ mich auf den Schreibtischstuhl gleiten.
    Oliver stellte sich neben mich und stützte sich mit den Handflächen auf der blankgeputzten Tischplatte ab.
    »Versuch Eins.«

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