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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ja.«
    »Aber teuer, schätze ich.«
    Die Sache drohte in ein Gespräch auszuarten.
    »Warum schauen Sie nicht in die Karte?« sagte Nicole und drehte demonstrativ den Kopf weg. Sie hatte grundsätzlich etwas dagegen, wenn Leute andere Leute ansprachen. Es war einfach uncool.
    »Das habe ich«, sagte der Mann nach einer Pause. »Und es kam mir alles verdammt kostspielig vor. Verdammt teuer. Es wäre in diesen Tagen gut, mehr Geld zu haben, meinen Sie nicht auch?«
    »Ja«, sagte sie mürrisch und griff nach ihrer Zeitschrift.
    »Ihr Bruder ist der gleichen Ansicht«, sagte der Mann.
    Nicole verharrte mitten in der Bewegung. Dann zog sie die Hand zurück und sah den Typ das erste Mal richtig an.
    »Wovon reden Sie?«
    »Nicht so laut. Von Ihrem Bruder Andreas rede ich. Er hat berechtigte Gründe, nicht selber zu erscheinen, aber er würde sehr gern mit Ihnen sprechen nach so vielen Jahren.«
    »Sie kennen Andreas?« fragte sie atemlos.
    »Schscht!« Er legte den Finger an die Lippen. »Bitte, Sie müssen leise sein. Ihr Bruder wird immer noch gesucht. Er hat mich gebeten, Sie anzusprechen, ja. Ich habe ... Augenblick! ...«
    Er schlug ein Buch auf und entnahm ihm einen Briefumschlag, den er Nicole herüberreichte.
    »... eine Nachricht für Sie.«
    Sie starrte auf den Umschlag und dann wieder auf den Fremden.
    »Darf ich sie lesen?«
    »Natürlich.«
    Hastig riß sie den Umschlag auf und zog ein gefaltetes Blatt hervor. Als sie es glättete, rutschten ihr zwei Fünfhundertmarkscheine entgegen.
    »Weil alles teurer wird.« Der andere grinste. »Keine Bange, Andreas hat weit mehr für Sie vorgesehen.«
    Sie las die wenigen Zeilen, die in ausladender Handschrift quer über das Papier geschrieben waren.
    Nicole, Schwesterchen,
    ich habe Sehnsucht. Wo ich jetzt lebe, bin ich sicher und wohlauf, aber Du fehlst mir. Es sind genug Jahre des Schweigens und der Unsicherheit vergangen. Ich kann selber nicht nach Köln kommen, aber wir können uns trotzdem sehen. Der Mann, der Dir diesen Brief gibt, heißt Marcel. Du kannst ihm vertrauen, er gehört zu denen, die mir am nächsten stehen. Ich lege ein bißchen Geld bei, Du wirst es brauchen können. In den letzten Jahren habe ich es zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Ich möchte, daß Du daran teilhast. Was ich überhaupt am liebsten möchte, ist, Deine Stimme wieder zu hören. Marcel hält auch hierfür eine Möglichkeit bereit.
    Werde ich bald mit Dir sprechen? Ich freue mich so sehr. In Liebe, wennʹs auch lange her ist, Dein Andi Sie las den Brief ein zweites und ein drittes Mal. Es wollte ihr nicht in den Sinn.
    »Sie sind Marcel?« fragte sie.
    Er nickte.
    »Ich verstehe das alles nicht.«
    »Andreas konnte sich lange nicht melden. Aber er hat Ihnen Geld geschickt, um es wenigstens ein bißchen gutzumachen.«
    »Ja, das stimmt!«
    »Was ich Ihnen gleich dazu sagen muß, ist, daß Andreas keinen Kontakt zu seinen Eltern wünscht. Das müssen Sie berücksichtigen.
    Er bittet Sie, ihnen gegenüber nichts von dem Brief und dem Gespräch zu erwähnen. Zumindest so lange nicht, bis er es sich anders überlegt.«
    »Welches Gespräch?« fragte Nicole.

    »Würden Sie denn gerne mit ihm sprechen?«
    »Ja, sofort, ich ...«
    Sie kniff mißtrauisch die Augen zusammen.
    »Sagen Sie mal... Marcel«, sagte sie gedehnt. »Da erlaubt sich keiner einen blöden Scherz mit mir, oder?«
    Er deutete auf den Brief.
    »Schauen Sie sich die Handschrift an. Urteilen Sie selber, ob es seine ist.«
    Hilflos las sie den Brief ein viertes Mal und versuchte sich an Andis Handschrift zu erinnern. Das lag alles so lange zurück. Sie war dreizehn gewesen oder vierzehn.
    »Ich ... Ja, ich glaube schon.«
    »Verstehe. Sie sind unsicher. Okay, ich will Ihnen nichts aufdrängen. Aber seine Stimme werden Sie erkennen?«
    »Ja!«
    »Gut. Sie können ihn aus meinem Wagen anrufen.«
    »Wagen?«
    Er hob beruhigend die Hände. »Bitte. Haben Sie keine Angst. Ich stehe wenige Meter weiter am Straßenrand. Tausend Leute gehen da vorbei. Sie setzen sich hinters Steuer, ich bleibe draußen und warte. Wenn Sie fertig sind, steigen Sie wieder aus. Würden Sie das tun?«
    Nicole überlegte. Sie fühlte sich der Situation nicht gewachsen.
    Andi. Sie sollte mit Andi sprechen. Andi, der ihr immer vorgelesen hatte, als sie klein war.
    »Eine Detektivin hat ihn gesucht«, sagte sie zu Marcel.
    Er krauste die Stirn. »Wen? Andreas?«
    »Ja.«
    »Wann war das?«
    »Vor wenigen Tagen.«
    »Hm.« Er nickte versonnen. »Andreas hat

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