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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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verbrochen?«
    Er sah sie an.
    »Wir haben Dinge mitgenommen«, sagte er. »Kleinigkeiten. Damals in Kuwait. Keine Plünderungen, nicht das. Aber manchmal bist du in ein Haus gegangen, und die Bewohner waren tot oder verschleppt, alles lag in Trümmern, die Wertgegenstände waren auf einen Haufen geschichtet. Die Iraker haben alles an sich gerissen, was ihnen in die Finger kam, aber sie konnten das Zeug nicht mitnehmen auf ihrer Flucht. Wir räumten die irakischen Widerstandsnester aus, gingen hinein, und sofort war klar, daß das Leben an diesem Ort nicht weitergehen würde. Irgend jemand würde sich die Beute einverleiben, dem sie ohnehin nicht gehörte, also warum nicht wir.«
    »Mhm.«
    »Ja, mhm. Wie hättest du reagiert?«
    »Schwer zu sagen. Ich glaube, in so einer Situation machst du dir über gewisse Anstandsregeln keine Gedanken mehr.«
    »Du machst dir keine Gedanken mehr, weil das hieße, sich nach einem Flächenbrand Gedanken über ein Streichholz zu machen.
    Natürlich nimmst du alles mit, was dir in die Hände fällt. So viel ist das gar nicht. Viel kannst du überhaupt nicht unterbringen, und es ist sowieso offiziell verboten, weil sie es dir wieder abnehmen, wenn sie dich damit erwischen, um es dann selber einzusacken.
    Also sagst du dir, was sollʹs? Sterben fürs Vaterland, für Kuwait, für Öl? Wenn du schon den Arsch hinhalten mußt, dann wird dir wegen der paar Kleinigkeiten keiner böse sein.«
    »Was waren das für Sachen? Schmuck?«
    »Vornehmlich. Eher Souvenirs als wirkliche Werte. Dinge wie bernsteingefaßte Zigarettenspitzen, silberne Wunderlampen, was reiche Leute eben zu Hause rumstehen haben, wenn sie in Kuwait wohnen. Dekorativ. Marmann ließ im Gegensatz zu uns die Finger davon. Er trug dieses verdammte Lächeln zur Schau, immer wenn wir was einsteckten, und am letzten Tag der Offensive erging er sich in dunklen Andeutungen über ein Vermögen, das nur darauf warte, von ihm ausgebuddelt und mit nach Deutschland genommen zu werden. Wir lachten ihn aus. Aber dann fuhren wir einen Umweg und fanden tatsächlich etwas. Etwas unermeßlich Wertvolles.«
    »Ihr habt den Schatz der vierzig Räuber gehoben«, mutmaßte Vera.
    »Nein«, sagte Bathge. Kurz verschwanden Mund und Nase hinter dem Rand seiner Kaffeetasse. »Wir haben etwas gefunden, wonach sich die vierzig Räuber die Finger geleckt hätten. Diamanten. Eine ziemliche Menge.«
    »Was, einfach so? Im Sand verstreut?«
    »Ein Konvoi. In Grund und Boden bombardiert. Nur Tote ringsum. Reiche Kuwaitis, die es nicht geschafft hatten. Marmann gab sich großzügig, er meinte, wie sollten uns den Batzen teilen. Natürlich waren wir völlig von den Socken. Verstehst du, wir waren reich. So reich, daß keiner von uns je in seinem Leben noch einen Finger hätte rühren müssen. Das einzige Problem war, daß wir das Zeug nicht mitnehmen konnten, also suchten wir nach einem Versteck.«
    »Und?« fragte Vera fasziniert.

    »Wir verbuddelten es nicht weit von der Fundstelle, um es eines Tages abzuholen.« Er machte eine Pause. »Dann wurden wir angegriffen. Den Rest der Geschichte kennst du.«
    »Du meine Güte! Was ist aus den Diamanten geworden? Ist je einer von euch zurückgekehrt?«
    »Ja, ich. Jahre später, als sich die Lage wieder beruhigt hatte. So, wie wir es eigentlich auch besprochen hatten. Aber es war nichts mehr da. Jemand war mir zuvorgekommen.«
    Veras Gedanken überschlugen sich.
    »Meinst du, Marmann hat die Diamanten geholt?«
    Bathge nickte langsam.
    »Hier hat jeder jeden beschissen. Wenn Üsker gewußt hat, daß Marmann noch lebte, und davon bin ich mittlerweile überzeugt, hat er ihn zurückgelassen, um nicht teilen zu müssen.«
    »Ein Wunder, daß du noch lebst.«
    Bathge schüttelte den Kopf »Üsker war kein Killer, überhaupt nicht. Ich glaube, er hat einfach die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.«
    Darum also, dachte Vera. Darum sind sie so überstürzt aufgebrochen. Halm hatte recht. Marmann jedoch, totgeglaubt, kehrte zurück und holte die Diamanten. Und Üsker, der ebenfalls nach Jahren zurückgekehrt sein mochte, um nichts mehr von der Beute vorzufinden, begann nun seinerseits, Marmann zu suchen.
    Wenn das stimmte, mußte Marmann steinreich sein. Kein Wunder, daß er wie vom Erdboden verschluckt war. Wahrscheinlich hieß er anders, sah anders aus, lebte in einem anderen Land.
    Nur einer schien seinen Aufenthaltsort gekannt zu haben. Solwegyn hatte bis zuletzt Marmanns Verbindung zu Deutschland und zu seiner Familie

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