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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Audiokassette, ein Funktelefon, ein Schlüssel und etwas, das in weißen Mull eingewickelt war. Der Mull war dunkel verfärbt, dort, wo die Flüssigkeit durch den Karton gedrungen war.
    Er legte Telefon, Kassette und Schlüssel neben sich und betrachtete mit klopfendem Herzen das Mullpaket. Dann nahm er es vorsichtig aus dem Karton und wickelte es auf.
    Zuerst dachte er an einen winzigen, verkrümmten Finger. Dann wurde ihm klar, daß er einen abgetrennten Zeh vor sich liegen hatte. Blut war herausgelaufen.

    Er starrte auf den Zeh und wieder auf den Absender.
    »Lubold«, flüsterte er. »Mein Gott!«
    Mit zitternden Fingern griff er nach der Kassette, trat zu einem HiFi‐Turm und legte sie ein. Es klickte und rauschte, dann sagte eine wohlbekannte Stimme:
    »Andreas, mein lieber Freund. Entschuldige die Störung. Ich wollte mich nur erkundigen, wieʹs dir geht.«

10.24 Uhr. Vera
    Sie waren zum Mittagessen im Hyatt verabredet.
    Bathge hatte ihr schließlich verraten, wo er seit seiner Ankunft in Köln wohnte. Unter falschem Namen, wie vermutet. Ein simpler Name war das. So grob, so wenig originell. So narrensicher.
    Lustlos fuhr Vera den Monitor aus und sah den roten Punkt starr verharren.
    Bathge war im Hotel. Er wartete auf sie.
    Es war so sinnlos geworden, ihm nachzuforschen. Er hatte sein Versteck preisgegeben, sie konnte ihn jederzeit erreichen. Sie überlegte, ob sie ihn anrufen und ihm sagen sollte, er möge bitte endlich das verdammte Feuerzeug wegwerfen, aber dann hätte sie einiges zu erklären gehabt. Was sie getan hatte, verbot alleine das Berufsethos. Einem Klienten hinterherzuspionieren, solange nicht ein triftiger Grund vorlag, konnte als Vertragsbruch ausgelegt werden.
    Aber Simon Bathge war nicht länger ein gewöhnlicher Klient.
    Du bist ein feiges Luder, sagte sie sich.
    Dann war sie halt ein feiges Luder!
    Irgendwann würde das Feuerzeug leer sein oder er würde es liegenlassen. Irgendwann würde sogar der Sender seinen Geist aufgeben. Warum das Thema überhaupt zur Sprache bringen? Manche Dinge beließ man besser, wie sie waren, bis sie sich von selber erledigten.
    Sie klickte den Stadtplan weg und wählte die Nummer von Fouk.
    Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich die französisch sprechende Frau und erklärte ihr, Fouk werde frühestens am Abend zurückerwartet. Er habe nichts hinterlassen, außer, daß er sich melden werde. Ja, das Foto liege ihm vor. Nein, er habe es noch nicht ansehen können.
    Mutlos legte sie auf und fragte sich, was sie augenblicklich überhaupt für Bathge tun konnte.
    Lubold suchen.

    Wie?
    Selten zuvor hatte sie sich so hilflos gefühlt. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wie sie das anstellen sollte. Wenn Lubold so gerissen war, wie sie ihn einschätzte, wußte er, daß der Jäger zugleich gejagt wurde. Sie würde ihn kaum finden, wenn er sich nicht finden lassen wollte.
    Das war kein Job mehr für Detektive. Es wurde Zeit, daß sie mit Bathge über Menemenci sprach.
    Das Telefon schellte. Es war der Rechtsanwalt mit seinen Fällen.
    Ob er auf einen Sprung reinschauen könne.
    Sie sagte zu.
    Lubold hatte sich vorerst erledigt.

10.33 Uhr. Saint Germain, Paris
    »Andreas, mein lieber Freund. Entschuldige die Störung. Ich wollte mich nur erkundigen, wieʹs dir geht. Kamerad Solwegyn meint, du würdest ein beschauliches Leben führen. Das freut mich. Es freut mich wirklich. Ich meine, du kennst mich, ich bin kein mißgünstiger Mensch. Andere würden vielleicht sagen, daß es nicht eben fein von dir war, mit den Diamanten alleine durchzubrennen, aber ich sehe das eher von der Warte des Gönners.
    Du hast was draus gemacht. Du bist ein ehrbarer Mann geworden. So ehrenwert, daß du jetzt Andre heißt statt Andreas. Und Mormon mit Nachnamen. Verzeih, das finde ich allerdings ein bißchen weinerlich. Andi, zum Teufel! Warum denn Mormon? Konsequenz habe ich immer bewundert, aber Mormon ist nicht halb so konsequent wie dein Alleingang. —
    Aber gut. Deine Sache. Du hast dir halt dein sentimentales Seelchen bewahrt. Ich sage, laßt Marmann seine Gefühle haben. Es ist zwar auch ein bißchen schäbig, daß du meinen Tod wolltest, würden andere zu bedenken geben, Menschen, die über ein weniger großes Herz verfügen als ich selber, aber was hättest du machen sollen? Vergeben und vergessen, Andi, kein Problem. Schau, auch Üsker und Solwegyn waren meiner Meinung, daß man die Vergangenheit begraben muß, die guten alten Freunde. Üsker hatʹs schier zerrissen, er

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