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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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anderer geworden. Den sie hatte suchen sollen, war ein anderer geworden. Der Mann, der sie bezahlte und öffentlich küssen wollte, der ihr Wärme und Geborgenheit gab und selber Probleme mit einem Killer hatte, nichts paßte zusammen.
    Sicher hatte sie es so gewollt. Aber es wurde zu viel, um gut zu sein. Und es versprach zu gut zu werden, als daß es jetzt schon zu viel sein durfte.
    Bathge wartete, bis sie Platz genommen hatte, lächelte und wies hinter sich.
    »Manchmal habe ich mir gewünscht, du hättest es rausgefunden. Ich wollte nie Versteck mit dir spielen. Ich hatte nur... zuviel Angst.«
    Heiß, kalt. Sie spürte eine Woge der Zuneigung. Zuckte zurück und versuchte, Distanz zu schaffen.

    Heiß, kalt.
    Bathge hatte ihr die Wahrheit gesagt. Er hatte ein Stück der Barriere eingerissen, die sie voneinander trennte. Er war auffindbar. Nun fehlten nur noch ... acht Jahre.
    Acht Jahre seines Lebens.
    Der Anfang heißt Anfang, weil er ein Anfang ist. Es war in Ordnung so. Sie streckte die Rechte aus und legte ihre Fingerspitzen über seine.
    »Ich habe einiges über Lubold rausgefunden«, sagte sie. »Gestern schon.«
    »Du hast...« Er richtete sich auf. Du hättest es mir sagen sollen, las sie in seinem Blick. Dann die Erinnerung. Das Einverständnis.
    Nachträglich bekräftigt.
    »Was hast du herausgefunden?« fragte er.
    »Ich weiß, warum sie ihn entlassen haben. Ich kenne sein... Schicksal.«
    »Lubold und Schicksal?«
    »Er ist ein Mensch wie jeder andere.«
    »Und wo hast du diese Einblicke gewonnen?«
    »Bei einem freundlichen alten Herrn. Vielleicht hast du mal was von ihm gelesen. Er heißt Stephan Halm.«
    Sie sah, wie Bathge die Zigarette aus der Hand fiel und über die Tischplatte rollte. Er nahm sie und steckte sie in seinen Mundwinkel, als sei nichts geschehen.
    »Oberstleutnant Halm«, murmelte er. »Als hätte ich den Namen erst gestern das letzte Mal gehört.«
    »Du kennst ihn?«
    »Lubold hat ihn gehaßt. Ich dachte immer, er bringt den Alten eines Tages um. Nein, ich kenne ihn nicht. Nicht persönlich. Aber er war die Kraft, der Lubold unterlegen ist. Wegen Halm mußte er gehen.«
    »Wegen Halm wäre er noch ganz woanders hingegangen. Der wollte ihn nämlich wegen Mordes drankriegen.« Sie erzählte Bathge von dem Treffen in der Bonner Villa, und wie Halm den Schleier von Lubolds Seele genommen hatte.
    Bathge hörte mit unbewegter Miene zu.
    »Ja, er hätte ihn gerne aufs Schafott geschickt«, sagte er. Sein Blick war ins Leere gerichtet. »Aber es war wohl gerade unpopulär.«
    »Das hat Halm auch gesagt. Sie wollten die Sache unterm Teppich halten.« Vera dachte einen Augenblick nach. »Ein seltsamer alter Kerl«, sinnierte sie. »Hat mir eines seiner Bücher in die Hand gedrückt. Er meinte, es könnte mir bei der Lösung des Falles helfen.«
    »Hast du reingeschaut?«
    »Ja, schon. Aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Er schreibt über die Schlacht am Golf und über Fernsehen und Internet. Daß wir den Bezug zur Wirklichkeit verlieren, so was in der Art. Wir bewegen uns unmerklich aus der Realität in die Virtualität, ohne beides voneinander trennen zu können. Was uns nicht gefällt, zappen wir weg. Demgegenüber entwickeln die Computer ihrerseits Strategien, um uns wegzuzappen, alles sehr vertrackt. Und so weiter und so fort. Anfangs dachte ich, es hat nicht das geringste mit unserem Problem zu tun. Mittlerweile bin ich unsicher.«
    »Es hat mit der Welt zu tun«, sagte Bathge nach kurzem Schweigen. Plötzlich kam er ihr verändert vor. Härter und auf eigenartige Weise verletzt.
    »Ich weiß«, seufzte sie. »Die Welt, die uns die Lubolds beschert und die anderen Geisteskranken, mit denen wir uns herumschlagen müssen. Aber es gibt tausend Bücher über die Welt.«
    »Vielleicht war er der Ansicht, es sei auch ein Buch über dich.«
    Sie wiederholte die Worte in ihrem Kopf.
    Ein Buch über dich?
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, die Welt produziert ihre Ungeheuer, aber wer ist die Welt? Wer produziert sie wirklich? Wer läßt sie zu? Ist die Welt etwas Abstraktes ? Was ist das für eine Welt, die sich von einem Fernsehsender sagen läßt, wie sie über den Krieg zu denken hat? Wer ist das außer dir und mir?«
    »Alle.«
    »Und du. Und ich. Stimmtʹs?«
    »Ja. Sicher, du hast recht.«
    »Ich weiß von Lubold, wie Halm dachte. Vielleicht kommst du weiter, wenn du beginnst, etwas über dich zu lesen. Über uns. Über alle, die an einem Jens Lubold schuld

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