Die dunkle Seite
manchmal funktionierte es.
Frau Marmann stieß ein leises Lachen aus.
»Glauben Sie bloß nicht, Sie wären die erste, die nach Andi sucht«, sagte sie, ohne auf Veras Frage einzugehen. »Für Leute wie Sie haben wir damals eine Menge Geld ausgegeben. Keiner ist sonderlich weit gekommen. Wir sind seine Eltern, und wir haben aufgegeben, können Sie das verstehen? Und da erzählen Sie uns was von einem Freund. Welcher Freund, Herrgott noch mal? Was sollte uns interessieren, wer ihn alles sucht?«
»Wer denn noch?«
»Niemand. Seit Jahren nicht.«
»Hat er sonst keine Verwandten?«
»Hören Sie zu, mein Kind. Ich weiß nicht, wer Sie sind und was Sie von Andi wollen. Wahrscheinlich ist es dumm, Ihnen zu vertrauen, aber es läuft ohnehin alles verkehrt. Ich mag sie irgendwie.
Andi hat eine Schwester. Suchen Sie bei ihr. Wir pflegen nicht sonderlich viel Kontakt untereinander, aber sie wird Ihnen mehr erzählen können, als ich es kann.«
»Warum sollte sie mir mehr erzählen können als Sie?«
Die Frau schüttelte den Kopf und griff unendlich langsam nach dem Türknauf.
»Gehen Sie zu ihr«, sagte sie.
12.00 Uhr. Rheinufer
Um die Mittagszeit glich die Stadt einer überbelichteten Fotografie.
An Stelle des sommerlichen Blaus war reines Weiß getreten. Es war drückend schwül. Dennoch zog Vera es vor, den Blazer auch diesmal anzubehalten.
Sie sah Bathge schon von weitem am Geländer unterhalb der Bastei lehnen. Sein Blick war aufs Wasser gerichtet.
»Haben Sie keine Angst, erkannt zu werden?« fragte sie spöttisch, als sie neben ihn trat.
Er wandte ihr den Kopf zu und lächelte.
»Doch«, sagte er.
»Marmann«, konstatierte sie.
»Marmann kann nicht überall zugleich sein. Übrigens wollten Sie keine Fragen stellen.«
»Ich habe keine Frage gestellt. Sagen Sie mal, Herr Bathge, wohnen Sie eigentlich in Köln?«
»Sie wollten immer noch keine Fragen stellen.«
Vera lehnte sich neben ihn und kniff die Augen gegen das glei ßende Licht zusammen.
»Ich war bei Marmanns Eltern«, sagte sie.
»Und? Konnten sie Ihnen weiterhelfen?« Bathge schien nicht sonderlich beeindruckt.
»Wie manʹs nimmt. Der Vater scheint seinen Sohn in die Hölle zu wünschen, die Mutter hebt ihn in den Himmel. Sie wissen nichts.«
»Das war schon immer so. Immer hat der Alte auf ihm rumgehackt.«
»Sie kennen seine Eltern?«
»Natürlich. Als Kind bin ich oft da gewesen.«
Vera schwieg.
»Okay, was soll das alles?« sagte sie nach einer Weile. »Sie hätten ebensogut selber hingehen können. Wozu schicken Sie mich?«
»Sie werden dafür bezahlt.«
»Dafür? Wofür?«
»Daß ich Sie notfalls an den Südpol schicke.«
»Nein, falsch. Ich werde dafür bezahlt, daß ich mir Gedanken mache. Augenblicklich denke ich darüber nach, ob ich Ihren Fall weiter bearbeiten will.«
»Na, kommen Sie, nicht so empfindlich. Was sollte Sie daran hindern?«
»Ihr blödes Getue.«
»Oh. Vielen Dank.« Er stieß sich vom Geländer ab und berührte sie sacht am rechten Oberarm. »Sollen wir ... ?«
Sofort entzog sie sich ihm.
»Gehen wir ein Stück?« schlug er zögerlich vor.
»Ja. Können wir machen.«
Sie verfielen in einen langsamen Schlenderschritt. Bathge war nicht größer als sie, stellte sie fest. Es hatte Zeiten gegeben, da konnten ihr die Männer nicht groß genug sein.
Keine Sekunde dachte sie daran, den Fall sausen zu lassen. Aber wenn sie ihn zappeln ließ, würde sie womöglich mehr über ihn erfahren.
»Mir ist schon klar, daß Sie die Geheimniskrämerei nicht mögen«, sagte Bathge. »Natürlich hätte ich zu Marmanns Eltern gehen können, aber wozu das Risiko?«
»Sie fürchten Marmann.«
»Ob ich ihn fürchte, können Sie sich selbst beantworten. Gestern haben Sie mich gefragt, warum ich ihn finden will. Ich habʹs Ihnen gesagt.«
»Ja, ich weiß.«
»Marmann ist schlau. Es gibt tausend Möglichkeiten, ihn auf meine Spur zu locken. Ich habe daran kein ausgeprägtes Interesse.«
»Warum?«
»Aus verschiedenen Gründen.«
»Vielleicht hat er Sie ja schon längst gefunden.«
Bathge schüttelte den Kopf. »Warum stellen Sie unablässig Fragen? Der Job ist mit keinerlei Risiken für Sie verbunden. Finden Sie Marmann, nehmen Sie das Geld, und der Rest ist meine Sache.«
»Na gut. Einiges weiß ich schon. Offiziell ist Marmann nicht in der Stadt, soviel kann ich sagen. Nicht gemeldet, nirgendwo abgestiegen, zumindest nicht unter seinem Namen.«
»Hat die Kripo was von ihm gehört?«
Bathge schien
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