Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
ihm den Namen des französischen Generals. Das schien Fouks Reserviertheit aufzubrechen.
    »Der alte Mann.« Es klang durchaus respektvoll. »Wie geht es ihm?«
    »Er ist einsam, schätze ich.«
    »Wie schade. Bitte haben Sie die Freundlichkeit, ihn von mir zu grüßen.«
    »Gerne. Wenn Sie Ihrerseits die Freundlichkeit hätten, mir zu helfen, wäre ich Ihnen ausgesprochen dankbar.«
    »Sofern nicht der Nebel des Vergessens die Morgenröte der Erinnerung verschleiert... Um wen handelt es sich?«
    »Andreas Marmann. Erinnern Sie sich an diesen Namen?«
    Eine Weile war es still in der Leitung.
    »Andreas Marmann...«, wiederholte Fouk. »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Er ist vor neun Jahren von der Fremdenlegion zu ZERO gekom‐
    men. Als Scharfschütze, soviel ich weiß.«
    Fouk lachte höflich.
    »Bei ZERO war jeder ein guter Schütze«, sagte er. »Ich vermute, er ist bei der Fremdenlegion zum Scharfschützen ausgebildet worden.
    Dort macht man solche Unterschiede.«
    »Gut möglich.«
    »Scharfschütze. Das grenzt den Kreis unwesentlich ein ... Marmann ... Marmann ... Und er war mit am Golf?«
    »Ja. Vielleicht sagen Ihnen ein paar andere Namen mehr. Mehmet Üsker.«
    »Üsker. Hm. Warten Sie mal. Ein Türke?«
    »Ja!«
    »Ich bin mir nicht sicher. Wir hatten einige Türken dabei.«
    »Simon Bathge.«
    »Ja, ich glaube schon. Hat dieser ... Marmann mit Bathge gearbeitet?«
    »Sie waren ein Team.«
    »Ah. Nein, ich muß mich irren. Ich meinte jemand anderen.«
    »Marmann ist sehr schwer verwundet worden.«
    »Wann war das genau?«
    »Am letzten Tag der Bodenoffensive. Es hieß, er sei tot. Aber das stimmt nicht. Tatsache ist, daß er lebt, aber nach dem Golfkrieg ist er von der Bildfläche verschwunden.«
    »Von der ... was meinen Sie mit Bildfläche?«
    »Er ist untergetaucht. Verschwunden. Man hat nichts mehr von ihm gehört. Ich dachte, er hätte vielleicht Ihnen gegenüber erwähnt, wohin er geht.«
    »Das ist unwahrscheinlich. ZERO hat nie nach der Vergangenheit gefragt, uns ging es nur um die Qualifikation. Ebensowenig haben wir nach der Zukunft gefragt. Wir haben den Männern und Frauen eine Zukunft gegeben, indem wir sehr viel Geld bezahlt haben für ihre Dienste, aber wir haben sie nach nichts gefragt. Wer gehen wollte, ging. Niemand wurde gebunden.«
    »Vielleicht hat er einem Freund gegenüber erwähnt, wo er hinwollte.«
    »Marmann ...«, sinnierte Fouk. »Sie müssen entschuldigen, das ist alles lange her. Mein inneres Auge hat sich getrübt. Scharen drängen sich davor und wollen erkannt werden. Ich muß gestehen, daß mein Erinnerungsvermögen eher visueller Natur ist. Ich müßte diesen Marmann sehen.«

    »Ich habe ein Foto«, sagte Vera.
    »Können Sie es schicken?«
    »Ja, sicher! Es geht heute raus.«
    »Wir verfügen über ISDN, falls Ihnen das von Nutzen ist.«
    »Sehr.«
    Das war ja noch besser.
    »Ausgezeichnet. Dann werden wir bald voneinander hören. Scannen Sie es ein und schicken Sie mir die Daten. Es würde mich beschämen, die Blume des Westens warten zu lassen.«
    Fouks Ausdrucksweise stand in seltsamem Kontrast zu seiner Stimme, hinter deren Kultiviertheit und sonorer Ruhe etwas Kaltes, Seelenloses mitschwang. Wie ein Messer, das in den Gehörgang schnitt.
    Vera zögerte, dann sagte sie:
    »Es gibt noch jemanden, an den Sie sich vielleicht erinnern. Sein Name ist Lubold.«
    »Jens Lubold?«
    Veras Herz machte einen Satz.
    »Ja.«
    »Er ist tot«, sagte Fouk.
    »Bitte mißverstehen Sie mich nicht, wenn ich deswegen nachfrage.
    Ist er wirklich tot?«
    »Er ist als tot gemeldet worden, wenn Sie das meinen. Viele sind nicht zurückgekommen. Der Sand hat ihre Seelen mit sich fortgetragen. Lubold war ein sehr guter Mann. Es hat mich betrübt, ihn zu verlieren.«
    »Er hatte nicht zufällig Kontakt zu Üsker?«
    »Dafür müßte ich wissen, wer Üsker ist. Ich glaube ihn zu kennen, aber ich weiß es nicht.«
    »Ich hörte, Lubolds Qualifikation hätte primär in seiner Skrupellosigkeit bestanden«, sagte Vera beiläufig.
    »Skrupel?« Wieder lachte Fouk, oder besser, er machte kleine Lachgeräusche. »Ich bin sicher, er kannte nicht einmal das Wort.«

    »Wie ist Lubold eigentlich ums Leben gekommen?«
    »Sie beschämen mich, da ich auch das nicht mehr mit Exaktheit sagen kann. Der Golfkrieg hat mehr irakische Seelen gefordert als die unsrigen, aber viele sind dennoch dem Wüstenwind verfallen. Die Mutter aller Schlachten verstand es, Kinder um sich zu sammeln. Auch Bosnien hat Blut

Weitere Kostenlose Bücher