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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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der Dusche so kräftig ab, dass ich fast zu bluten begann. Ehe ich loszog, versprühte ich noch einmal großzügig Fliss’ Parfüm im Raum und warf den Kübel Erdnussbutter (Gastronomiegröße) raus, den Hamish mir geschenkt hatte.
    ***
    Eine Stunde später teilten sich einige von uns ein Taxi zum Wolf Club. Als das schwarze Auto über die Ladbroke Grove sauste, begann ich allmählich, die Vorkommnisse im Haus zu vergessen. Die vorbeihuschenden Londoner Attraktionen zauberten ein Strahlen auf mein Gesicht: all die Menschen verschiedener Hautfarbe mit ihren ganz unterschiedlichen Lebenstilen, die rasch über belebte Straßen gingen … Ich liebte London. Ich liebte alle, die im Taxi saßen, und die disziplinierte Warteschlange vor dem Club liebte ich auch. Ich liebte sogar die Art, wie Cheryl-Anne beim Tanzen breit grinste, obwohl sie ein Kind hatte, das 12   000 Kilometer weit weg war, und obwohl sie mehrfach den Ausdruck »diese dreckigen Aborigines« gebraucht hatte. Ich liebte es, wie Fliss sich binnen zehn Sekunden nach unserem Eintreffen einen Typen schnappte, der nicht Zach war. Und wie Zach das überhaupt nicht zu jucken schien. Und ich liebte meine Männer – alle drei tanzten stundenlang mit mir: Pete linkisch und unbeholfen, über jeden Schritt nachdenkend und oft mit den Fingern in die Luft pieksend; Francesco elegant und eigenwillig, mit mir tanzend, ohne mit mir zu tanzen; und Hamish, hübsch und ganz in seinem Element, immer lächelnd und in völligem Einklang mit dem Rhythmus der Musik. Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, meine Unschuld an keinen anderen als Francesco zu verlieren, sprachen Licht und Musik mit tagheller Klarheit zu mir: Ich konnte meine Jungfräulichkeit an jeden dieser Männer verlieren, weil ich um Mitternacht, als Schluss mit dem Tanzen war, jeden von ihnen mit gleicher Innigkeit liebte.
    ***
    Es war an der Zeit, sich in einer stillen Ecke des Clubs zusammenzurotten und tiefe Blicke auszutauschen. Cheryl-Anne hatte ihr Glück bei Pete schon früher versucht. »Der ist wohl ein bisschen zurückgeblieben«, hatte sie nach mehreren heißen Tänzen gesagt, bei denen sie einmal sogar seinen Bizeps abgeschleckt hatte. Pete hatte sich ihr still entzogen und sie gefragt, ob sie ein Glas Wasser wolle. Als sie verneinte, sagte er: »Ich schon. Könntest du es mir holen?« Cheryl-Anne hatte ihre Haare in den Nacken geworfen und sich auf die Suche nach einem Paar Bizeps gemacht, das ihre Zungenakrobatik mehr zu schätzen wusste. Zach stand mit der Gitarre irgendeines anderen Typen auf der Bühne. Fliss knutschte mit drei Männern herum und brach schließlich mit einem von ihnen zu einem Spaziergang auf.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich Francesco, dessen Stirn stark glänzte. »Mitternacht«, sagte er. »Kaum zu glauben, was?«
    Ich antwortete nicht. Es war ja auch nicht nötig. Wir alle wussten, dass es ein unglaubliches und erstaunliches Kunststück der Zeit war, dass die Uhr tatsächlich schon Mitternacht zeigte.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich Francesco einen Augenblick später.
    »Mitternacht«, sagte er.
    »Wahnsinn!«
    »Ihr seid ja völlig besoffen«, ließ Pete sich vom hohen Ross des Drogen-Abstinenzlers vernehmen.
    Aus dem Anstarren wurde Anfassen, als Francesco mein Gesicht zu streicheln begann. Ich liebte Francesco. Als ich sein Streicheln erwiderte, fiel mir auf, dass sein Gesicht schweißnass war. Petes Gesicht fühlte sich rauer an, männlicher. Das von Hamish war ein bisschen seltsam … wie Styropor. Mein Gesicht war weich und hübsch, darin stimmten alle überein.
    Wir gingen abwechselnd Getränke holen. Francesco bestellte echten Champagner. Hamish bestellte Wodka mit Limonade. Ich bestellte Rotwein und Tonic mit einem Spritzer Bailey’s (für die richtige Farbe und Textur). Pete bestellte Wasser. Mein Gebräu war nach allgemeiner Übereinkunft das Schlimmste, was jeder von ihnen jemals getrunken hatte.
    ***
    »Ich bin Jungfrau«, sagte ich, als wir zu viert im Taxi nach Hause fuhren. »Ich habe versucht, meine Unschuld an Francesco zu verlieren, aber der wollte sie nicht haben, und jetzt läuft sein Optionsrecht aus.« Ich steckte den Kopf aus dem Fenster. London fuhr mir durchs Haar. Ich zog den Kopf wieder ein und schaute meine Jungs an.
    »Warum willst du mich nicht ficken, Francesco?«
    »Ich bin eine männliche Schlampe.«
    »Aber das ist doch perfekt.«
    »Ich bin im Schlampenmodus: Bumm-bumm, verpiss dich. Dich habe ich näher kennengelernt, und ich

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