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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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den Knebel durchtränkt hatte, verdunstete zischend, als sie sich über die heiße Glühbirne beugte. Gleich darauf begann das Polyester zu qualmen. Sie hatte den Stoff eigentlich nur etwas nachgiebiger machen wollen, um ihn vielleicht lösen zu können. Aber als der Qualm aufstieg, kam ihr der Gedanke, dass der brennende Knebel auch als Signal fungieren könne. Um der Flamme Sauerstoff zuzuführen, warf sie ihren Kopf von einer Seite zur anderen. Bald stand der Raum voller Rauch – und ihr Haar in Flammen.
    Sie schrie durch den brennenden Stoff hindurch, schlug ihren Kopf gegen die Schulter, gegen die Lampe, die zu Boden fiel und in tausend Stücke zersprang, schließlich gegen die Wand. Endlich gelang es ihr, das Feuer zu löschen. Sie schwelte noch eine Weile weiter, und dann musste sie sich eingestehen, dass auch dieser letzte und verzweifeltste ihrer Pläne nicht aufgegangen war. Schlimmer noch: Ihr Haar und ein Teil ihrer Gesichtshaut waren verbrannt.
    Während die Endorphine durch ihren Körper zu den Wunden rasten, gestand Celia sich ein, dass dies ihr Ende sei. Bestätigend nickte sie sich zu: Sie würde Schluss machen, ehe er sie töten konnte. Diese letzte Genugtuung würde sie ihm nicht gönnen. Sie würde zu ihren eigenen Bedingungen sterben. Ihre Blicke wanderten durch den Raum und suchten nach geeigneten Werkzeugen: die zertrümmerte Lampe, der Metalltisch, das Medaillon, das Kettenschloss, die tote Katze, die Gitterstäbe aus dem Lüftungsschacht, der Eimer, der Stuhl, der Tisch, das Wasserrohr. Es gab viele Möglichkeiten, diese Gegenstände zu tödlichen Zwecken zu kombinieren – Lampensplitter und Handgelenk, Fahrradkette und Genick. Letztlich beschloss sie, das zu tun, was ihr Onkel Marc immer mit seinen unerwünschten Welpen getan hatte: Sie würde ihren Kopf gegen die Wand schlagen. Damit würde sie wenigstens treffend zum Ausdruck bringen, was sie von der Notwendigkeit ihres Selbstmords hielt … einen Scheißdreck.
    Gleich morgen früh würde sie beginnen. Doch bis dahin würde sie wach bleiben und an all die Glücksmomente denken, die das Leben für sie bereitgehalten hatte. Sie würde an ihre Eltern denken, ihren großen Bruder, an Johnnys Lockenhaar, an Sams Sprachtalent und seine ordentliche Handschrift und an ein Gespräch, das sie oft mit Greg geführt hatte. Es hatte immer mit derselben Frage von Greg begonnen.
    Wer liebt dich?
    Du liebst mich.
    Warum?
    Weil ich liebenswert bin.
    Warum?
    Weil Gott mich so geschaffen hat.

Teil drei

22
    Es hörte auf. Als Fliss endlich auf meinen Ruf »Feuer!« reagiert hatte und in mein Zimmer rannte, war der Rauch schon wieder verschwunden. Wie durch Zauberei.
    »Muss unsere Wasserpfeife gewesen sein, oder vielleicht hat jemand gegrillt«, sagte sie. Ich schnupperte erneut an den Dielen, aber da war keine Spur mehr von Rauch oder Hitze. Auch im Raum nicht. Meine Güte, es reichte offenbar nicht mehr, mit den Drogen aufzuhören. Ich musste dringend zum Psychiater.
    »Du musst nicht zum Psychiater«, sagte Fliss und setzte sich neben mich auf die Dielen. Geschickt schnipste sie mir eine ihrer Zauberpillen in den Mund. »Du musst dir höchstens mal was anziehen.«
    Ich sah dahin, wo sie hinsah. Herrje, ich war völlig unbekleidet. Minutenlang hatte ich mich nackt vor einem anderen Menschen gespreizt, mein Gesicht gegen den Boden gepresst und wie eine Verrückte an den Dielen herumgeschnüffelt. Eine splitterfasernackte Verrückte.
    »Sexlektion Nummer 34b«, sagte Fliss, »… und die ist sehr, sehr wichtig …«
    Ich hatte meine Blöße mit dem Schlafsack bedeckt. Auch wenn Fliss’ Sexlektionen sich bislang als völlig nutzlos erwiesen hatten, lauschte ich aufmerksam.
    »Du darfst niemals, niemals, niemals … nach Scheiße stinken.«
    Ich war baff. Roch ich wirklich nach Scheiße? Warum hatte mir keiner etwas gesagt? »Der Geruch von Feuer ist eine willkommene Abwechslung«, sagte Fliss, öffnete das Fenster und versprühte etwas Parfüm in der Luft. Sie vertraute mir an, dass der Geruch aus meinem Zimmer bereits bis in den Flur vorgedrungen sei, und dass ich in Erwägung ziehen solle, in Zukunft ganz auf Erdnussbutter zu verzichten. Sie sagte außerdem, dass es mir an Überzeugungskraft mangele.
    »Ein Mädchen muss sich bloß entscheiden, dass es Sex haben will, und dann hat es ihn. Ganz einfach. Willst du?«
    »Ja.«
    »Dann such dir jemanden aus und mach es mit ihm. Noch heute Nacht.«
    »In Ordnung«, sagte ich. Dann schrubbte ich mich unter

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