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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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länger die Ermittlungen andauerten.
    Gregs Herzschlag beschleunigte sich jetzt nur noch, wenn das Telefon oder die Türklingel läuteten. Dann aber füllte sich die harte, ausgedörrte Aprikose, zu der sein Herz geschrumpft war, so schnell mit Blut, dass es schmerzte. Umso mehr, wenn sich herausstellte, dass es nur ein Anruf seiner Mutter war, oder nur ein Freund an der Tür klingelte, und sich sein Herz genauso schnell entleerte, wie es sich vollgepumpt hatte.
    Das Schlimmste war die Ungewissheit.
    ***
    Die Katze war nicht nach Hause gekommen. Und sosehr Bobby das Streunen liebte, war er letztlich doch immer zurückgekehrt. Die Jungs lagen neben ihrem Vater im Bett, einer auf jeder Seite. Das Flurlicht schien hell in das aufgeräumte Schlafzimmer. Jedes Geräusch veranlasste Sam, aufzustehen und einen prüfenden Blick auf die Katzenklappe an der Vordertür zu werfen. Aber um zwei Uhr nachts hatte sich Bobby immer noch nicht blicken lassen, und Johnny weinte so laut, dass Greg seinen Gleichmut verlor und ihm einen Klaps auf den Arm gab.
    »Es tut mir so leid. Komm her.« Er wiegte Johnny unter der Bettdecke und versuchte, die eigenen Tränen zurückzuhalten. So ein Vater wollte er nicht sein. Einer, der sein fünfjähriges Kind schlug, weil es wegen der vermissten Katze und der vermissten Mutter weinte. Er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte genauso laut wie sein kleiner Sohn.
    Sam seufzte und stand auf. Musste er immer der Vernünftige sein? Seit seine Mama beschlossen hatte, nicht mehr nach Hause zu kommen und damit ihrer aller Leben zu ruinieren, hatte er die Stellung halten müssen. Er war derjenige, der ans Telefon ging, der die Dose mit Baked Beans öffnete: er, der Siebenjährige. Und jetzt war er der Einzige, der bemerkt hatte, dass die Australier von gegenüber nach Hause gekommen waren.
    »Lasst uns rübergehen und sie fragen«, sagte Sam zu seinem weinenden Vater und seinem weinenden Bruder.

24
    Ich war wieder nüchtern. Wer waren all diese Menschen, all diese Männer? Was zum Teufel tat ich hier?
    Auf der Queensway Terrace blieb ich bei einem Münztelefon stehen. Ursula akzeptierte die Übernahme der Gebühren. Ihre Stimme traf mich mit der Wucht eines Frontschutzbügels bei einer Kollision. Ich weiß nicht mehr genau, wie unsere Unterhaltung ablief, nicht mal, ob man das Gespräch überhaupt als Unterhaltung bezeichnen kann, aber die Kernaussage lautete, dass ich keine Idiotin sei, sondern eine wunderbare junge Frau, die möglicherweise doch nicht krank sei, und selbst, wenn ich krank wäre, würde ich das bewältigen. Vermutlich sei es besser, wenn ich mich der Sache stellte … Sie hätten nämlich erst Anfang dieser Woche einen Anruf vom Krankenhaus bekommen. Keine Angst, man habe ihr nichts gesagt. Als ich sie anflehte, über all das nicht mehr zu reden, sagte sie Okay, und dass gegen ein bisschen Spaß und Zeitvertreib nichts einzuwenden sei, sofern es tatsächlich das sei, womit ich mich beschäftige, und nicht etwa damit, mich den ganzen Tag elend zu fühlen.
    Ich bat sie, nach London zu kommen, aber sie machte gerade ihre Abschlussprüfungen. Nur noch ein Examen, sagte sie, dann sei sie Ärztin. »Und überhaupt«, sagte sie, »wieso sollte ich nach England fahren wollen? Da ist es doch viel zu zahm und grün für mich. Ich hab 5000 Öcken gespart. Wenn ich hier fertig bin, besorg ich mir’n VW-Bus und fahr in den Katherine-Gorge-Nationalpark.«
    Papa kam ans Telefon und sagte so ziemlich alles von dem, was Ursula gesagt hatte, nur mit tieferer Stimme. »Du kannst mich jederzeit anrufen«, sagte er. »Wir haben dich lieb. Und wir sind froh, dass du deinen Spaß hast. Wir vermissen dich, Bronny, du bist ein tolles Mädchen. Schau doch mal in dein E-Mail-Postfach. Du bist eine Katastrophe, was das angeht.«
    Als ich aufgehängt hatte, tauchte Pete hinter der Telefonzelle auf. Er legte seinen Arm um mich und begleitete mich ins Haus. Dort brachte er mich auf mein Zimmer und bettete mich auf meine Matratze. Dann setzte er sich neben mich und hörte zu, als die ganze Geschichte aus mir herausbrach.
    »Huntingtonsche Krankheit«, wiederholte Pete.
    Ich hasste diesen Namen.
    »Fünfzig–fünfzig heißt nicht ›höchstwahrscheinlich‹.« Er klang wie Papa.
    »Was soll ich mit meinen Leben anfangen? Ich darf keine Kinder kriegen. Das kann ich keinem Kind antun. Ich darf mich nicht verlieben. Wie könnte ich, wenn alles, was ich einem Mann zu bieten habe, das Vergnügen ist, beim

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